Im Bann des Fluchträgers
Schleuder, die er in seinem Beutel verstaut hatte, doch nach einigen Übungen fühlte er sich damit vertraut und befestigte es an der Lederschlaufe an seinem Gürtel. Seine Stiefel machten ein lautes Klackgeräusch, als er über den Steinboden zur mittleren Tür ging. Einen Moment zögerte er voller Sorge, dass ihn jemand hören könnte. Doch dann schloss er die Augen und erinnerte sich an den Tjärgwald und die Jagden, bei denen er den Ranjögs nachgespürt hatte. Auf diesen Wanderungen lernte er wie die Ranjögs zu denken, er wurde eins mit deren Gebärden, Denken und Gewohnheiten um sie aufzuspüren. Ravin lauschte seinem Herzschlag, dachte an sein Spiegelbild und betrat den Gang als Bor.
Er war überrascht den Gang leer zu finden. Laut hallte sein Schritt, als er energisch weiterging, bis er an eine Wendeltreppe kam, die nach oben führte. Ohne zu zögern schritt er die Stufen hinauf. Seine Muskeln schmerzten, er war außer Atem, als die Treppe endlich ein Ende nahm und in einen riesigen Raum mit rußschwarzen, gewölbten Wänden mündete. Etwa zehn Tische standen im Raum. An einem davon saßen vier Horjun. Offensichtlich flickten sie Sattelzeug, denn Ravin erkannte Sattelriemen und lange gebogene Nadeln. Die vier blickten kaum auf, als Ravin mit festem Schritt und einem Trommelwirbel in der Brust an ihnen vorbeiging. Einer der Horjun hob die Hand zu einem angedeuteten Gruß. Ravin grüßte zurück und ging weiter auf eine rußige Holztür zu. Von fern glaubte er Pferdewiehern zu hören, doch als er durch die Tür trat, stand er nicht, wie er vermutet hatte, im Stall, sondern wieder vor einer Treppe. Von oben drang Stimmengewirr zu ihm herunter. Zurück konnte er nicht ohne mit den Horjun sprechen zu müssen, also ging er weiter. Die Stimmen kamen näher, ein Raunen schwoll an wie fernes Meeresrauschen. Die Halle, die er betrat, war voller Menschen. Er hatte gelernt, im Wald mit dem Hintergrund zu verschmelzen, und das tat er nun auch hier. Mit einem Seitenblick auf einen Horjun hatte er sich orientiert, nahm dessen Körperhaltung an und stellte sich auf, als sei er eine weitere Wache im Raum, die auf das Kommende wartete. Verstohlen schaute er sich in der achteckigen Halle um. Sie war direkt in den Fels gehauen. Von der grobbehauenen Decke ragte Wurzelwerk in den Saal, offensichtlich befand sich über diesem Saal bereits der Wald. Die Steinwände dagegen waren sorgfältig poliert und glänzten wie Marmor. Ravin musste sich beherrschen, sein Erstaunen zu verbergen und nicht aufzufallen. Etwa zwanzig Horjun standen reglos wie er und warteten, den Blick stumm auf ein Podium direkt vor ihnen gerichtet. Es war eine Art Bühne, auf der mehrere Stühle standen.
Die acht Türen des Raumes waren offen, nach und nach strömten noch mehr Horjun in den Raum, weitaus ältere Männer, große Wachen mit dunkler Haut und erstaunlich hellen grauen oder grünen Augen, Waldmenschen, wie Ravin vermutete. Durch das Tor, das am weitesten von ihm entfernt war, fiel plötzlich Feuerschein – Ravin hielt den Atem an – und durch die Tür traten mehrere Feuernymphen. Hatte Naja nicht gesagt, den Nymphen sei der Zutritt zur Burg verboten? Er suchte in den Gesichtern nach Najas Zügen, doch fand er sie nicht und atmete erleichtert auf.
Das Verbot galt offensichtlich nur für die jüngeren Nymphen, diese vier waren alt, viel älter als Naja. Auf ihren Lippen und um ihre Augen spielte das ewige Lächeln des Feuers. Hinter dem ruhigen Pulsieren von Kerzenflammen im windstillen Raum fühlte Ravin das Vibrieren und die unbändige Macht, die jederzeit züngeln und explodieren konnte. Sie sprangen zu einem steinernen Vorsprung und ließen sich darauf nieder. Ravin war so abgelenkt,
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