Im Bann des Fluchträgers
und sich die Handflächen blutig schürfte. Der Geruch von verbranntem Leder umfing ihn. Dort, wo Najas Hände ihn am Rücken berührt hatten, war es warm. Sofort rappelte Ravin sich auf und blickte sich gehetzt um. Er erwartete jeden Moment schwarze Hände zu sehen, die nach Schwertern griffen. Doch alles, was er nach dem grellen Flackern der Feuernymphe wahrnahm, waren schemenhafte Umrisse von etwas Großem, Unbeweglichem. Er drückte sich mit dem Rücken an die Wand. Sie war nicht länger eine Mauer aus Rauch, sondern hart und nass und erschreckend real. Endlose Augenblicke verharrte Ravin am kühlenden Stein, atmete so leise wie möglich, bis er sicher sein konnte, dass es keine Geräusche im Raum gab, die auf die Anwesenheit von Menschen oder schwarzen Kriegern hindeuteten. Alles was er hörte, waren Wassertropfen, die irgendwo auf einen Stein schlugen. Der schwache Glanz von blank polierten Schwertern schälte sich aus der Dunkelheit. Ravin erkannte, dass das Große, Unbewegliche eine Schwertwand aus Holz war. Die Schwerter waren sorgfältig aufgereiht, irgendjemand hatte sich sogar die Mühe gemacht, die Schneiden exakt auszurichten. Links davon standen vier Truhen, von denen eine geöffnet war. Es sah aus, als hätte noch vor kurzem jemand darin nach etwas gesucht. Ravin entspannte sich. Jetzt erst nahm er wieder den Schmerz wahr, der durch seine Lippen pulste. Behutsam leckte er über die Brandblase auf seiner Unterlippe um sie zu kühlen. Dabei überlegte er, was als Nächstes zu tun war. Er war in einer unsichtbaren Burg, die mitten im Felsen eingelassen war. Nicht einmal Jolon hatte ihm erzählt, dass so etwas existierte. Irgendwo hier waren Darian, Sella, Jerrik und die anderen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ein Horjun zu werden, um herauszufinden, wo sie waren. Leise trat er zu der Truhe. Mäntel lagen darin und er nahm einen heraus. Er war zu lang. Auch der nächste schleifte auf dem Boden, als Ravin ihn um die Schultern legte. Erst der dritte schien zu passen. Ravin spürte sein schweres Gewicht auf den Schultern. Behutsam tastete er nach dem Stoff um verwundert festzustellen, dass in den Mantel Metallösen eingewebt waren. Kein Wunder, dass die Badok-Krieger unverwundbar zu sein schienen. Er legte seinen Ledermantel aus dem Wald ab, in den die Abdrücke von Najas zierlichen Händen eingebrannt waren. Ravin lächelte und packte den Mantel in seinen Beutel. Der schwarze Stoff seines neuen Mantels war rau und roch nach Wildmoos und Stein. Ravin suchte weiter, fand einen Gürtel aus Ranjögleder, in den der Name Bor eingebrannt war, und Stiefel, deren Sohlen in einem eisernen U endeten, das ebenso scharf geschliffen war wie die Hufeisen der Pferde. Schaudernd fuhr Ravin mit dem Finger über das Eisen, bevor er die Stiefel anzog. Ungewohnt fühlte sich das Gehen darin an. Hart und unbarmherzig waren die Sohlen. Sie waren nicht dafür gemacht, auf nachgiebigem Waldboden zu federn, nein, sie zerschnitten, was ihnen in den Weg kam. Schließlich fand er in der Truhe noch eine helmartige Kappe, deren langer Lederbügel seine Nase schützte. Ravin verbarg seine Tasche unter seinem Kampfmantel und wandte sich den Schwertern zu. Er nahm eines davon aus einer langen glänzenden Reihe. Schmal und hell war es, wie eine Pfeilspitze. Als Ravin danach griff, blickte ihm aus der spiegelblanken Schneide ein fremder Krieger entgegen. Da war Ravin – und doch nicht Ravin. Größer sah er aus, grimmig mit dem schwarzen Lederschutz über der Nase, die Augen stechend, die Lippen aufgesprungen und blutig gebrannt. Ravin, der Waldmensch, hatte sich in Bor, den Horjun, verwandelt. Das Schwert lag gut in der Hand, es ließ sich nicht so leicht handhaben wie die
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