Im Bann des Fluchträgers
hatten schweigend zugehört. Ravin lagen viele Fragen auf der Zunge, doch er hütete sich aufzufallen. Ein Horjun meldete sich zu Wort. Er war sehr groß und stämmig, aber seine Stimme klang wie die eines sehr jungen Mannes.
»Ich habe eine Frage, Krieger Bor. Wir reiten in dieses fremde Land, auf das Geheiß von Badok, unserem Herrn. Man sagt uns, unser Herr führt dort Krieg. Doch warum ist der Herrscher dieses Landes mit Skaris verfeindet?«
Bors Gesicht verdüsterte sich, eine der Feuernymphen flackerte auf und lachte, aber sie schwieg sofort wieder. Bor blickte den Horjun streng an.
»Es steht uns nicht zu, seine Entscheidungen in Frage zu stellen. Unser Herr ruft das dunkle Heer nicht aus einer Laune heraus!«
Er wies mit einer Geste auf die Erloschenen im Raum.
»Horjun, wenn du dort bist, wenn du gekämpft und deinen Mut bewiesen hast, darfst du ihn selbst fragen. Bis dahin aber schweige!«
Ravin sah, wie der Horjun den Kopf senkte und wieder in die Reihe zurücktrat. Bor holte Luft und begann wieder zu sprechen.
»Ihr sollt wissen: Kämpft gut und ihr werdet belohnt. Ihr werdet neues Land besitzen und Pferde, wie ihr sie noch nie gesehen habt. Ihr werdet wertvolle Beute heimtragen.«
»Ich bin froh, wenn ich in mein eigenes Land zurückkehren kann«, hörte Ravin den jungen Horjun, der soeben gesprochen hatte, murmeln. In den anderen Gesichtern spiegelten sich Missmut, Fragen und Angst, doch niemand wagte ein Wort zu sagen. Verstohlen ließ Ravin seinen Blick über die Gesichter wandern. Alle waren sie jung, manche sogar noch jünger als Ravin. Es waren verstörte, skeptische, gefasste und ergebene Gesichter, aber kein einziges, das begeistert oder stolz aussah.
»Nun, ihr wisst, was ihr wissen müsst. Die Wächter werden euch die Quartiere zeigen. Heute beginnen die Waffenübungen. Geht nun und esst. Ihr werdet eure Kräfte brauchen.«
S
ie saßen an den langen Tischen in der zweiten Halle. Mühsam kaute Ravin das zähe Ranjögfleisch. Obwohl es ihm nicht schmeckte, war er dankbar, nach der kargen Nahrung im Gebirge wieder eine richtige Mahlzeit vor sich zu haben. Seine Lippe blutete und schmerzte bei jedem Bissen.
»Was hast du denn mit deinem Mund gemacht?«, fragte eine Stimme. Ravin blickte nach rechts und erkannte, dass er neben dem Horjun saß, der sich zu Wort gemeldet hatte. Im Sitzen wirkte er noch größer und wilder als in der Halle.
»Eine Feuernymphe geküsst«, antwortete er wahrheitsgemäß und biss vorsichtig in ein Stück Fleisch. Der Horjun pfiff durch die Zähne.
»Diese Biester!«, sagte er. »Hat sie dich im Schlaf erwischt?«
Ravin zuckte die Schultern.
»Du bist nicht besonders gesprächig, hm?«, versuchte es der Horjun erneut.
Ravin machte eine unbestimmte Geste. Sein Tischgenosse war ein grobgesichtiger Mann mit buschigen Brauen und zotteligem, braunem Haar. Wie alle anderen Neuankömmlinge wirkte auch er nicht wie ein Krieger, eher wie ein friedfertiger Riese. Er blickte wieder auf seinen Teller.
»Naja, ich bin jedenfalls Ruk. Ruk Bor. Seit heute heißen wir ja alle Bor.«
Ravin entging der bittere Unterton in der Stimme nicht.
»Und du?«
Ravin schluckte seinen Bissen hinunter und überlegte fieberhaft.
»Galo … Bor«, antwortete er schließlich.
»Galo, aha. Du kommst nicht aus Krelis, was?«
Ravin schüttelte den Kopf. Die Unterhaltung begann ihm unangenehm zu werden. Doch Ruk ließ nicht locker.
»Vielleicht aus Klavil? Oder aus Rintjan?«
Ravin überlegte fieberhaft.
»Aus den Bergen«, sagte er schließlich vage.
»Skilmal, natürlich!«, rief der andere. »Hätte ich mir denken können. Das kleine Dorf am Steinbruch. Dort wo die Waffenschmiede ist, nicht wahr? Mein Vater hat mir erzählt, dass ihr einen Feuersee
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