Im Bann des Fluchträgers
dass er um ein Haar den Augenblick verpasst hätte, als die dunklen Krieger eintraten. Er konnte nicht verhindern, dass sein Herz bei ihrem Anblick einen erschrockenen Satz machte, so real holte die Erinnerung an die dunklen Reiter ihn ein. Doch es gelang ihm, unbewegt stehen zu bleiben und weiter zu beobachten. Die Erloschenen, wie Naja sie genannt hatte, scharten sich in der Mitte der Halle zusammen. Lautlos war ihr Schritt, so als schwebten sie. Sie sprachen kein Wort. Ravin bemerkte, wie einige der Horjun unmerklich von ihnen abrückten, bis schließlich zwei Gruppen im Raum standen. Links die Horjun, rechts die dunklen Krieger, getrennt durch einen breiten Graben aus Luft. Wie auf einen unsichtbaren Befehl hin wurde es in der Halle still. Ravin bemerkte, dass aller Augen auf eine bestimmte Tür links von ihm gerichtet waren und tat es den anderen nach.
Ein alter Horjun betrat mit energischem Schritt den Raum. Seine Stiefel klickten auf dem Boden. Sein Haar war weiß, er hatte unzählige Falten, eine hässliche Narbe zog sich über seine Wange und teilte die Oberlippe. Seine Augen leuchteten im Grün der Waldmenschenaugen. Er strahlte Macht aus wie die Nymphen die Hitze und musterte schweigend die Horjun, wobei er sich Zeit ließ, viel Zeit. Für einen Moment glitt sein Blick auch über Ravin, der erschauderte, doch regungslos stehen blieb. Wie sehr wünschte er sich jetzt Amina oder Darian bei sich zu haben! Vielleicht verbarg sich hinter diesen grünen Augen das Geheimnis, wo Darian und die anderen waren?
»Ich grüße euch, die ihr euch heute in Badoks Burg versammelt habt«, begann der narbige Krieger schließlich. Seine Stimme klang tief, beinahe heiser.
»Ich grüße unsere Krieger aus dem Lande Run.« Alle Erloschenen nickten und murmelten einen Gruß in einer fremden Sprache. »Und ich grüße unsere Verbündeten aus dem Reich des magischen Feuers!«
Die Feuernymphen flackerten ein wenig dunkler, aber sie antworteten nicht. Ravin fragte sich, ob dieses Schweigen eine Verweigerung des Grußes darstellte. Doch der Krieger ging nicht weiter darauf ein, er wandte sich an die Gruppe der Horjun.
»Und ich grüße die neuen Horjun. Ich bin Bor, euer Kampfmeister. Alle, die ihr gekommen seid, um eurem Herrn im Krieg um das besiegte Land beizustehen, tretet vor!«
Das hatte Naja also damit gemeint, als sie ihn fragte, ob er einer der neuen Horjun sei. Und der Name Bor an seinem Gürtel bedeutete nichts anderes, als dass er zu Bors Kriegern gehörte. Es war eine Chance. Es würde leichter sein, sich als Horjun-Neuling in der Burg zu bewegen. Im besten Fall kamen die neuen Krieger aus den umliegenden Dörfern und waren, wie er, keine ausgebildeten Kämpfer. Im schlimmsten Fall waren sie es – aber auch dann würden sie sich in der Burg kaum besser auskennen als er. Etwa fünfzig Horjun traten aus der Gruppe nach vorn und blieben vor Bor stehen. Ravin folgte ihnen, ignorierte den fragenden Blick der anderen Wachen an den Türen, dann stand er schon mit klopfendem Herzen in der dicht gedrängten Gruppe. Bor ließ seinen Blick auf ihnen ruhen.
»Nun«, sagte er schließlich. »Ihr habt bereits vom Horjun-Dienst gehört. Es ist ein ehrenvoller Dienst. Und in Zeiten wie diesen eine schwere und blutige Aufgabe. Nicht alle neuen Krieger haben das Glück, so bald in die Schlacht zu reiten. Wie ihr wisst, werden wir das besiegte Land einnehmen. Die Krieger aus Run werden uns helfen. Sterbt ihr, werdet ihr ehrenvoll in das Land Run eingehen. Von morgen an werdet ihr in den Waffen unterwiesen, die ihr für den Kampf benötigt. In einigen Tagen werdet ihr eurem Herrn gegenübertreten und schwören. Und bald schon, sehr bald, reiten wir mit allen Truppen in das Land der silbernen Seen.«
Die jungen Männer
Weitere Kostenlose Bücher