Im Bann des Fluchträgers
Quartier schleichen könnte. Verstohlen beobachtete er die Reithalle. Wurzelwerk hatte an einigen Stellen den Fels gesprengt, dahinter waren demnach keine Räume mehr zu vermuten. Die Burg erstreckte sich also in die Tiefen des Berges. Und er befand sich hier im obersten Stockwerk.
Amgar schwang sich auf eines der sehnigen Pferde und brachte es in Position. Die Übungen fielen Ravin nicht schwer. Geschickt warf er sich im Sattel zur Seite und wich Amgars mit Lappen umwickeltem Schwert aus.
»Gut!«, rief sie, als er einen ihrer Hiebe parierte und sich hinter der dichten Mähne verbarg. Ein Horjun fiel vom Pferd und entkam nur knapp den wirbelnden Hufen. Amgar wartete, bis er wieder aufgestiegen war, dann zeigte sie ihnen, wie sie ihren Pferden befehlen konnten auf die Hinterbeine zu steigen.
»Ihr haltet die Zügel so«, erklärte sie. »Und auf dieses Zeichen mit euren Fersen schlagen sie mit den Vorderhufen nach dem Feind. Denkt daran, eure Pferde sind eure verlässlichste Waffe im Kampf gegen die Seelenlosen.«
Ravin probierte es aus – und sein Pferd stieg mit solcher Wucht, dass er nur mühsam das Gleichgewicht halten konnte. Er fragte sich, wie sie damals auf der Lichtung im Kampf gegen solche Kampftiere hatten bestehen können.
»Haben unsere Gegner auch solche Pferde?«, fragte ein Reiter-Horjun mit einem besorgten Blick auf seinen Stiefel. Das Leder war von einem scharfkantigen Hufeisen tief geritzt worden. Amgar lächelte zum ersten Mal an diesem Tag ein schmales Lächeln.
»Keine Sorge, Salas Bor. Sie haben Pferde, doch für den Kampf sind sie nutzlos. Allerdings sind sie schön. Ihr könnt euch welche anschauen, wenn ihr im Stall seid.«
Ravin zuckte bei diesen Worten zusammen. Unwillkürlich musste er an Vaju und Dondo denken und war froh, dass sie nicht gefangen und gebunden werden konnten. Irgendwo streiften sie um die Burg herum und warteten auf den Ruf des Muschelhorns.
Nach den Übungen führten die Horjun ihre Pferde zum Stall. Ravin war neugierig die Pferde aus dem besiegten Land zu sehen, obwohl er sich denken konnte, dass es Bantys waren. Er wunderte sich nur, dass Amgar gesagt hatte, sie seien schön, denn Bantys erschienen ihm unscheinbar und fleckig.
Über flache Stufen ging es hinunter in die Eingeweide der Burg. Die Hufe seines Pferdes klackten hart auf dem Steinboden. Aus dem Augenwinkel behielt er die Pferdebeine im Blick, damit die Hufe nicht in seine Nähe kamen. Fackeln erhellten ihren Weg, der sie zu den Ställen tief in das Burginnere führte. Ravin entdeckte Seitengänge, die nach wenigen Schritten in eine steile Treppe mündeten.
»Wohin führt die Treppe?«, fragte er den hinkenden Horjun vor sich.
»Zum Festsaal und zu den Gastgemächern, soviel ich gehört habe.«
Hinter der nächsten Biegung vernahm Ravin Stampfen und Schnauben. Ob die Pferde der Badok jemals ans Tageslicht kamen? Gab es keine Weiden für sie? Keine Sonne? Seine Gedanken wurden durch ein Geräusch unterbrochen.
Er lauschte noch einmal, wieder erklang es: ein helles Wiehern aus dem Stall. Ravin blieb stehen, plötzlich fühlten sich seine Beine so schwach an, als wäre er tagelang geritten. Er klammerte sich an der Mähne seines Pferdes fest und lauschte. Es war Vajus Wiehern. Die Horjun vor ihm deuteten nach vorn und lachten. Ravin verlangsamte seine Schritte. Er durfte den Stall nicht betreten, Vaju würde ihn verraten. Gehetzt blickte er sich um. Wenden konnte er nicht, die Pferde hinter ihm schnaubten ungeduldig, nur noch wenige Schritte trennten ihn von der Eingangstür zum Stall. Ravin sah sein Pferd an, dann versetzte er ihm einen Schlag auf die Nase. Mit einem Ruck riss es den Kopf hoch, Zügel glitten heiß und schnell durch Ravins
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