Im Bann des Fluchträgers
geschlossene Faust, wirbelnde Vorderhufe verfehlten ihn nur knapp. Geschickt wich Ravin aus, ließ die Zügel los und krümmte sich, als hätte er einen Tritt in die Brust bekommen. Das Pferd machte einen gewaltigen Satz, drängte sich mit angelegten Ohren an ihm vorbei und preschte in den Stall. Noch einmal wieherte Vaju, Ravin hörte Rufe und Gepolter.
»Bist du verletzt?«
Eine Hand auf seiner Schulter. Amgar blickte ihn ernst an.
»Nein«, stammelte er. »Nein, ich konnte ihn nicht halten, das Pferd im Stall hat gewiehert …«
Amgar richtete sich auf.
»Es ist eines der Pferde aus dem besiegten Land. Um sie zu binden ist ein sehr starker Zauber nötig. Bei deinem Kampfpferd dagegen braucht es nur eine feste Hand.«
Ravin senkte den Kopf, als wäre er beschämt, dann drehte er sich um und versuchte so unauffällig wie möglich in sein Quartier zu humpeln. Als er außer Sicht war, rannte er, bis die Stille der Waffenkammer ihn umfing. Seine Hände waren kalt und zitterten. In seinem Hals krampfte sich ein Knoten zusammen, am liebsten hätte er sich auf den Boden geworfen und geweint. Vaju und Dondo waren hier, gebunden durch einen Zauber. Er kannte keinen Zauber, der so etwas vermochte. Und das besiegte Land mit der Hexenherrscherin war sein Land! Nun bekamen seine bedrohlichen Träume einen Sinn. Darian, Sella und Jerrik waren irgendwo in der Burg. Und hier rüsteten sich Feuernymphen, schwarze Krieger und die Horjun mit Badok und Diolen zum Kampf. Er musste die Königin warnen. Ob sie bereits vom Krieg wusste? Und Jolon lag schutzlos schlafend im Wald. Er musste so schnell wie möglich die anderen befreien. Sollte er sofort fliehen? Nein, wahrscheinlich war es sicherer, sich in der Nacht hinauszuschleichen. Mit zitternden Händen strich er sich die Haare aus der Stirn und setzte wieder seinen Helm auf. Heute noch musste er Galo Bor aus Skilmal sein, der Reiter-Horjun. »Galo Bor«, flüsterte er immer wieder wie eine Beschwörung, doch das Entsetzen drückte ihm die Brust zusammen, sodass er kaum atmen konnte.
»Galo Ohnepferd«, sagte eine Stimme direkt neben seinem Ohr. »Kleiner Reiter aus dem Felsmeer – ich habe schon gehört, dass du verletzt bist. Badoks Kolosse sind etwas anderes als deine kleinen Bergziegenpferde, nicht wahr?«
Ruk setzte sich neben ihn und reichte ihm ein Stück farbloses Brot.
»Du siehst nicht gut aus. Hast du Schmerzen?«
Ravin schüttelte den Kopf, der Kloß in seinem Hals löste sich nicht.
»Wo sind die anderen?«, fragte er schließlich gepresst.
»Die Reiter sind noch in den Ställen und die Schwertkämpfer befinden sich in einem anderen Teil der Burg.«
»Ein anderer Teil? Welcher?«
»Warum willst du das wissen, Galo Ohneplan?«
Ruks Stimme klang spöttisch. Dieses Echo von Aminas Tonfall ließ Ravin zusammenzucken.
»Ich … kenne mich in der Burg nicht aus. Die Gänge sind so unübersichtlich.«
»Findest du?« Ruk lachte. »Für mich nicht. Ich war als Kind oft hier. Mein Vater handelte mit Ranjögfellen und Garn. Während er in der Roten Halle war, habe ich die ganze Burg erkundet. Sie war damals noch richtig gemütlich, als es noch nicht von denen wimmelte.«
Ravin wusste, dass er die Erloschenen meinte.
»Hast du was vom besiegten Land erfahren?«, fragte Ruk. Ravin zögerte.
»Nun«, begann er vorsichtig. »Zwei Pferde aus diesem Land stehen im Stall. Sie sind durch einen Zauber gebunden.«
Ruk lächelte ironisch.
»Natürlich, unser Galo denkt nur an Pferde. Ich meine das Land! Hast du etwas über das Land erfahren? Bor erzählte, wir müssen uns verteidigen, weil die Hexe uns überfallen will. Warum warten wir nicht, bis sie uns angreift?«
Ravins Herz klopfte.
»Die Gefangenen …«, sagte er vage. Ruk sah ihn mit großen Augen an.
»Also hast du auch von
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