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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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in ih­rem Land le­ben See­len­lo­se, Gramol!«
    Der Wäch­ter, der Gramol hieß, zuck­te die Schul­tern.
    »See­len­lo­se, aha. Und was sind die Staub­ge­sich­ter hier? Na, ich bin auf je­den Fall froh, wenn sie dort­hin zu­rück­ge­schickt wer­den, wo sie her­ge­kom­men sind.«
    Noch ein­mal pros­te­ten sie sich zu und gin­gen zum Tisch, wo sie ih­re Be­cher ab­stell­ten und ein paar Mün­zen auf die Holz­plat­te war­fen. Ra­vin ver­such­te ih­nen zu fol­gen, doch plötz­lich schlug ihm stin­ken­der Atem ins Ge­sicht. Ein rie­si­ger, al­ter Hor­jun hat­te sich vor ihm auf­ge­baut.
    »Wen suchst du?«
    Ra­vin schluck­te, als er in das bär­ti­ge Ge­sicht sah.
    Er war ein Die­ner, er­in­ner­te er sich, al­so senk­te er den Blick und ant­wor­te­te lei­se:
    »Gramol, Herr. Ich hat­te ihn hier ent­deckt.«
    Der Hor­jun lach­te dröh­nend.
    »Ach, run­ter zu den Ge­fäng­nis­sen willst du?«
    Ra­vin nick­te.
    »Mor­gen rei­ten wir, mein Jun­ge«, sag­te der Hor­jun. »Und nie­mand geht heu­te an Skil vor­bei oh­ne mit ihm zu trin­ken!«
    »Ja, Herr«, er­wi­der­te Ra­vin.
    Der Hor­jun grins­te und drück­te ihm einen Be­cher in die Hand.
    »Ein Le­ben oh­ne Kvi­rinns Fluch!«, don­ner­te er.
    »Ein Le­ben mit Nag­siks Se­gen«, ant­wor­te­te Ra­vin zag­haft. Er schi­en rich­tig geant­wor­tet zu ha­ben, denn der Hor­jun lach­te brül­lend und schüt­te­te den Wein in ei­nem Zug hin­un­ter. Ra­vin nahm einen Schluck. Sau­er und köst­lich war das Ge­tränk. Nach dem lan­gen Tag war er dank­bar für die­se Stär­kung. Den­noch – er muss­te sich be­ei­len. Er stell­te den Be­cher ab und dank­te. Als er wei­ter­ge­hen woll­te, hielt Skils rie­si­ge Pran­ke ihn zu­rück.
    »Hast du zu viel Wein ge­trun­ken, Jung­chen?«, don­ner­te er. »Da hin­ten geht’s lang!«
    Ra­vin wand­te sich um und ver­ließ die Schän­ke in der ent­ge­gen­ge­setz­ten Rich­tung. Er eil­te den Gang ent­lang, doch Gramol und sein Ge­fähr­te wa­ren be­reits ver­schwun­den. Aber zu­min­dest war er auf dem rich­ti­gen Weg! An der nächs­ten Bie­gung blieb er ste­hen. Auf dem Gang un­ter­hiel­ten sich ein paar Die­ner. Ra­vin stell­te sich in den Schat­ten ei­ner Ni­sche und war­te­te. Als der letz­te Schritt ver­k­lun­gen war, mach­te er sich laut­los wie ein Schat­ten auf den Weg und glitt die Trep­pen hin­un­ter, dort­hin, wo die Ge­fäng­nis­se sein muss­ten.
    Als im Halb­dun­kel plötz­lich die Frau vor ihm um die Ecke bog, glaub­te er ein Ge­spenst zu se­hen, so ähn­lich sah sie mit den lan­gen, sil­ber­wei­ßen Haa­ren und den blau­en Au­gen der Bergs­han­jaar­s­toch­ter Elis. Und so laut­los war sie auf­ge­taucht, dass nicht ein­mal Ra­vin sie hat­te kom­men hö­ren. Die wei­ßen Haa­re leuch­te­ten im schwa­chen Schein der Fa­ckel. Sie trug ein hel­les Ge­wand und hielt einen Ton­krug im Arm. Ruck­ar­tig war sie ste­hen ge­blie­ben und mus­ter­te Ra­vin so er­schro­cken, als wä­re er ein Ge­spenst. Ra­vin über­leg­te, wie er sie dar­an hin­dern soll­te, zu schrei­en. Sei­ne Fin­ger spann­ten die Seh­nen der Schleu­der. Schon hat­te er die wei­che Stel­le an ih­rer Schlä­fe aus­ge­macht. Ein klei­ner Schlag wür­de ge­nü­gen um sie zu be­täu­ben. Doch zu sei­ner Über­ra­schung brei­te­te sich ein Lä­cheln auf ih­rem Ge­sicht aus. Im nächs­ten Au­gen­blick fand er sich in ih­rer Um­ar­mung wie­der. Mit ei­nem dump­fen Laut zer­schell­te der Ton­krug auf dem Stein­bo­den.
    »Ra­vin!«, flüs­ter­te das Mäd­chen. Sil­ber­wei­ßes Haar kit­zel­te sein rech­tes Ohr. Ver­wirrt schob er die Frem­de von sich. Die Stim­me …
    »Ich dach­te, wir wür­den uns nie wie­der se­hen.«
    Er wich ein paar Schrit­te zu­rück. Ver­wun­de­rung sprach aus ih­rem Ge­sicht, dann lach­te sie, als sei ihr plötz­lich et­was ein­ge­fal­len.
    »Ent­schul­di­ge«, sag­te sie und trat zu ihm. »Ich ha­be es ein­fach schon ver­ges­sen!«
    Sie hob die Hand über sei­ne Au­gen, und als sie sie wie­der senk­te, stand vor ihm – Ami­na. Ha­ge­rer war sie und of­fen­sicht­lich er­schöpft, als wä­re sie vie­le Ta­ge oh­ne Schlaf ge­rit­ten.
    »Ami­na!«, flüs­ter­te er – und dies­mal fühl­te er bei ih­rer

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