Im Bann des Fluchträgers
entgegen. Zerbrechlich und verloren lag darauf die Scherbe mit dem Lageplan.
Rohe Hände packten ihn, er spürte einen Schlag wie einen Huftritt gegen seine Brust, der ihm die Luft nahm, und hörte Gelächter. Dann sauste eine Faust in sein Gesicht und sein Bewusstsein sprang in Stücke.
Das Nächste, was er schemenhaft wahrnahm, war eine Türschwelle, die unter seiner Nase auftauchte. Ein harter Stoß traf ihn von hinten. Er stolperte dorthin, wo er die Tür vermutete, und stürzte auf scharfkantiges Stroh. Die Tür fiel ins Schloss und Ravins Kopf versank in einem Strudel aus Schmerz und Dunkelheit. Vor den Flammen des Schmerzes tanzte Naja und warf ihm eine Kusshand zu. Unsinnigerweise musste Ravin an ihre Erklärung denken, dass die Erloschenen nie von der Gegenwart sprachen, sondern immer nur von dem, was sein würde, oder dem, was vergangen war. In diesem Fall hatte der dunkle Krieger von der Zukunft gesprochen, denn nun war Ravin wirklich der Gefangene. Er stöhnte.
»Geht zurück! Lasst ihm doch Platz!«
Stimmen um ihn herum.
»Er bewegt sich!«
Tat er das?
»Sie haben ihn ganz schön zugerichtet.«
Noch eine Stimme. Ruk?
»Komm, bringen wir ihn hier rüber.«
Er begann zu schweben. Es schmerzte.
»Seht ihr nicht, dass ihr ihm wehtut? Nimm die Hand weg!«
»Ich wollte ihm nur die Haare aus der Wunde streichen.«
Eine Hand auf seiner Stirn. Und dann ganz nah an seinem Ohr:
»Ravin! Wach auf, Ravin!«
Mühsam blinzelte er. Ein älterer, ernster Darian blickte ihn an. Sein helles Haar war länger und sehr zerzaust. Sein Gesicht war hager geworden. Als er sah, dass Ravin ihn erkannte, ging ein strahlendes Lächeln über sein Gesicht. Und plötzlich drehte sich die Zeit rückwärts und Ravin sah wieder seinen Freund aus Gislans Burg vor sich.
»Du lebst, Ravin!« Erleichterung schwang in Darians Stimme. »Mein Traum hat also die Wahrheit gesprochen. Erst dachte ich, sie hätten dich getötet damals … auf der Lichtung …« Er sprach nicht weiter. Ravin wollte antworten. Trotz der Schmerzen war er so erleichtert, dass er hätte weinen können, doch es kam nur ein Schwall Blut aus seinem Mund.
»Ruh dich aus«, sagte Darian mit belegter Stimme. »Das Einzige, von dem wir hier mehr als genug haben, ist Zeit.«
Darian strich über seine Stirn und er fiel in eine traumlose Ohnmacht.
Als er erwachte, fühlte er sich besser. Es musste Nacht sein, denn die Jerriks schliefen beim Schein einer kleinen, magischen Flamme, die vermutlich Darian auf dem Weg zur Burg gefangen hatte. Ravin erkannte Ladro, Mel Amie und einige der Menschen, die damals um das Willkommensfeuer gesessen hatten. Jerrik und Sella allerdings konnte er nirgends entdecken. Der Gefängnistrakt glich einer alten Waffenkammer, ähnlich der, in der Ravin als Horjun übernachtet hatte. Es waren mehrere Gewölbekeller, verbunden durch Torbogen aus Steinen, so dick und schwer wie Pferdeleiber.
Darian half ihm sich aufzusetzen.
»Lass mal sehen«, flüsterte er und drehte Ravins Gesicht vorsichtig zum Licht. »Deine Lippe sieht entzündet aus. Hast du Schmerzen?«
Ravin versuchte ein schiefes Lächeln.
»Es geht«, erwiderte er mit Mühe. Seine Zunge war geschwollen. »Wo ist Amina?«
Darian schüttelte den Kopf.
»Hier ist sie nicht. Hast du sie gesehen?«
Ravin nickte betrübt.
»Ich vermute, sie haben sie noch vor mir gefangen genommen.«
Die Verzweiflung schlich auf leisen Pfoten heran und setzte zum Sprung an.
»Das heißt, sie ist in der Burg?«
Ravin nickte.
»Wir müssen so schnell wie möglich zurück nach Tjärg!«, flüsterte er. »So schnell wie möglich!«
Darian blickte ihn erstaunt an. Ravin packte seinen Freund bei den Armen. »Darian! Diolen und Badok sind auf dem Weg, Tjärg zu überfallen – und zu vernichten! Sie haben diese dunklen Krieger
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