Im Bann des Fluchträgers
gerufen, aus dem Lande Run. In den nächsten Tagen marschieren sie mit ihnen und den Horjun zu Gislans Burg.«
Selbst im Dunkeln konnte er sehen, wie das Blut aus Darians Gesicht wich.
»In unser Tjärg?«
Er schluckte und sah Ravin aus riesigen Augen an, die vor Entsetzen zu lodern schienen. Ravin nickte niedergeschlagen und erzählte flüsternd von seiner Reise, von seinen Tagen als Horjun, von Vaju und Dondo und seiner Flucht aus dem Saal der Gesänge. Ganz besonders ausführlich erzählte er von Diolens Rede und dem traurigen Ende von Kilmen. Er musste seine Tränen mühsam hinunterschlucken, als er sich an Kilmens leeres Gesicht erinnerte.
»Seelenlose!«, zischte Darian verächtlich. »Diolen und Badok sind die Seelenfresser! Sie haben auch Jerrik geholt, gleich am zweiten Tag. Es scheint einen zweiten Gefängnisraum zu geben. Sella ist dort.«
Er verstummte. Ravin legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie sahen sich an, Trauer im Blick und die ganze flackernde Ungewissheit.
»Ich bin so froh, dass du am Leben bist, Ravin!«
»Und ich auch – dass ich dich gefunden habe!«
W
ir haben bereits alles versucht, aber die Tür ist durch einen Zauber gebunden«, flüsterte Ladro. Für den Fall, dass sie überwacht wurden, standen immer einige in der Nähe der Tür und lauschten auf die Schritte der Wärter. Ravins Anwesenheit schien den Jerriks wieder Hoffnung zu geben, selbst Darian zeigte eine Spur seines alten Humors. Auf die Frage von Mel Amie, warum er das Tor nicht mit einem Gegenzauber öffnen könne, grinste er und meinte: »Ich, Darian, der Talentierte?«
Ravin gefiel dieser Scherz seines Freundes nicht.
Nachts versuchte Ravin den Traumfalter zu rufen. Er wollte die Königin warnen, doch der Falter kam nicht. Stattdessen zogen immer und immer wieder Schreckensbilder einer rauchgeschwärzten Burg an ihm vorbei.
Darian erwachte, als seien diese Bilder bis in seinen Schlaf gedrungen.
»Möchtest du, dass ich einen Schlafzauber spreche?«, flüsterte er.
Ravin schüttelte den Kopf, Tränen rannen ihm über die Wangen. Darian legte den Arm um seine Schulter.
Sie lehnten immer noch Schulter an Schulter, als sich Horjunstiefel der Tür näherten. Die Tür flog auf. Die magische Flamme flackerte und verlosch. Licht fiel in das Gefängnis. Ein Schatten wurde in das Licht gestoßen und sofort von der Dunkelheit verschluckt. Einen Wimpernschlag später hörten sie das dumpfe Geräusch eines fallenden Körpers. Das Licht sprang zurück und die Tür fiel ins Schloss.
Darians Fingerschnippen ertönte in der Stille, schon kam die kleine Flamme wieder aus ihrem Versteck. Ein schwacher Lichtschein fiel auf den Körper. Er bewegte sich nicht. Im flackernden Schein drängten sich die Gesichter des Lagers zusammen. Ravin ließ sich auf die Knie sinken. In der Dunkelheit erkannte er nur ein Gewirr von langen Haaren. Im Stillen sprach er eine Bitte an Elis und alle Geister des Waldes, dann drehte er die Gestalt behutsam auf den Rücken.
»Arnina!«, rief Mel Amie.
Das Licht der Flamme fiel auf Aminas Gesicht. Tränen der Wut stiegen Ravin in die Augen.
»Seht euch das an!«, schrie er. »Seht euch das nur an!«
Darian schwieg. Mel Amie strich Amina das Haar aus dem Gesicht. An ihrer Schläfe klaffte eine tiefe Wunde. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und gefesselt. Sie bewegte sich immer noch nicht, doch sie atmete, wenn auch sehr flach. Behutsam lösten sie die Fesseln, zogen ihre Mäntel aus und betteten sie darauf. Ravin und Ladro drückten die Wundränder zusammen, bis die Blutung zum Stillstand kam, und verbanden die Wunde mit Streifen, die sie aus den Mänteln gerissen hatten. Niemand sprach ein Wort.
Als Amina gegen Morgen endlich zu Bewusstsein kam, konnte sie sich kaum bewegen. Sie blinzelte
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