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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Kar­ten­trä­ger er­nannt. Werft einen Blick auf sei­ne Hand. Aber scheu­che erst das Licht weg.«
    Sie dräng­ten sich um ihn und blick­ten über sei­ne Schul­ter. Auf sei­ner Hand­flä­che leuch­te­ten We­ge, Ber­ge und klei­ne Wel­len, die den Fluss und das Meer be­zeich­ne­ten. Wie von lie­be­vol­ler Hand ge­malt wirk­ten die fei­nen ro­ten Li­ni­en. Zum ers­ten Mal sah Ra­vin das Land von oben. Das Grenz­land, den Ta­nis­wald, das Meer. Er­staunt stell­te er fest, wie klein die Ent­fer­nun­gen im Grun­de wa­ren. Tjärg und Ska­ris wa­ren Nach­bar­län­der – und doch war Ska­ris in sei­ner Vor­stel­lung Tau­sen­de von Mon­den wei­ter von Tjärg ent­fernt als et­wa das Nach­bar­land Lom. Lang­sam ver­blass­ten die Li­ni­en, bis sie schließ­lich nach und nach ganz ver­schwan­den.
    »Wenn du sie sicht­bar ma­chen möch­test, nimm die Flam­me in die Hand und war­te, bis die Kar­te ihr Licht auf­ge­saugt hat. Oh­ne das ma­gi­sche Licht bleibt die Kar­te un­sicht­bar.« Dari­an schwieg. Ra­vin konn­te nicht er­ken­nen, ob er da­mit ein­ver­stan­den war, der Kar­ten­trä­ger zu sein. Skaard­jas Blick wan­der­te un­be­küm­mert wei­ter, über­ging Ami­na und ver­weil­te schließ­lich auf Ra­vin.
    »Und was kann ich dir mit auf den Weg ge­ben, Ra­vin va La­gar?«
    In ih­rer Stim­me schwang ein La­chen mit.
    »Nichts«, ant­wor­te­te er.
    »Du bist klug, Wald­mensch. Und da ich schon ge­ahnt ha­be, was du mir ant­wor­ten wür­dest, ha­be ich nichts für dich – aber ich bit­te dich für Dari­an et­was mit­zu­neh­men. Er wird mit der Kar­te ge­nug zu tun ha­ben.«
    Ra­vin nick­te. Sie hol­te ei­ne win­zi­ge Kris­tall­phio­le her­vor, die aus ei­nem ein­zi­gen Edel­stein ge­schlif­fen war. Vio­lett schim­mer­te dar­in ei­ne öli­ge Flüs­sig­keit.
    »Ska­ris­wur­zel«, sag­te sie. »Ei­ne win­zi­ge Men­ge nur, ge­löst in Wein.«
    Darians Au­gen wur­den groß.
    »Seit ich Lai­os ken­ne, ver­sucht er die­se Wur­zel zu be­kom­men!«, sag­te er. »Für die Heil­sal­be, die …«
    »… ge­gen Blind­heit hilft, ge­gen kran­ke Kno­chen, ge­gen die ro­te Wut und ge­gen je­de Art von Zahn­schmer­zen. Ganz rich­tig. Und sie ist sehr sel­ten, selbst hier. Ich weiß, dass du lie­ber das Öl als die Kar­te tra­gen wür­dest, Dari­an. Trotz­dem be­ste­he ich dar­auf, dass Ra­vin das Fläsch­chen trägt.«
    »Gern«, sag­te Ra­vin und nahm die Phio­le an sich. Das Kris­tall­glas war warm. Die Son­ne war in­zwi­schen über die Gip­fel ge­kro­chen, im Tal schmol­zen die Ne­bel.
    »Warum be­fin­det sich die Kar­te denn auf Darians Hand?«, frag­te Mel Amie Ra­vin.
    »Ganz ein­fach«, er­wi­der­te Skaard­ja an sei­ner Stel­le. »Je­der, der sie le­sen will, muss sei­ne Hand neh­men. Und ich wüss­te nicht, wer die­se Be­rüh­rung ge­ra­de nö­ti­ger hät­te als er.«
    Ami­na sah sie über­rascht an, dann husch­te ein Lä­cheln über ihr Ge­sicht und ließ es weich und schön er­schei­nen.
    »Mö­ge Elis dich be­schüt­zen!«, sag­te sie.
    Skaard­ja lä­chel­te und schwieg.
    Kie­sel­stei­ne und Mu­scheln knirsch­ten un­ter den Pfer­de­hu­fen, als sie den glü­hen­den Ber­gen ent­ge­gen­rit­ten. Skaard­ja stand am Fu­ße ih­rer Höh­le. Die Höh­len­tre­ter mach­ten trau­ri­ge Ge­sich­ter und fuch­tel­ten zum Ab­schied mit ih­ren schau­fel­großen Hän­den wie ver­rückt in der Luft her­um.

II
Auf nach Dantar
     
    Sie rit­ten schwei­gend, nur der Huf­schlag brach sich an den Fels­wän­den, wenn sie ein kah­les Tal durch­rit­ten. Ra­vin be­hielt den Berg­kamm, der sich rechts von ih­nen er­hob, stän­dig im Au­ge, in der Furcht, dass sie un­ver­mu­tet doch auf Hor­jun oder ih­re Spä­her tref­fen könn­ten. Ladro ritt vor­aus, Mel Amie folg­te als Nach­hut. Ra­vin be­merk­te, dass sie stets das klei­ne­re der bei­den Hor­jun-Pfer­de ritt, das zwar die Oh­ren an­leg­te, wenn sie in die Nä­he kam, aber längst nicht mehr nach ihr schnapp­te. Doch als sie über­leg­te, wel­chen Na­men sie ihm ge­ben soll­te, fiel Ami­na ihr ins Wort und mein­te schroff, sie sol­le sich dar­über kei­ne Ge­dan­ken ma­chen, es sei ein Hor­jun-Pferd, nichts wei­ter. Al­so blieb das Pferd na­men­los wie Ami­nas

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