Im Bann des Fluchträgers
sie einen Schwarm Vögel, die ihre morgendliche Jagd nach Insekten begannen. Ihre roten Flügel blitzten hier und da durch den Nebel.
»Ich wünsche Sella, dass sie ein Vogel ist und dass ihr Sturz zum Flug wird.«
Aminas Stimme zitterte. Ravin fühlte, wie sich wieder der schwere Stein auf sein Herz wälzte. Sie schwiegen.
»Würdest du gerne fliegen?«, fragte Amina plötzlich ohne ihn anzusehen.
Ravin schwieg. Nein, dachte er. Was könnte ich tun – zu Jolon fliegen? Um ihm zu sagen, dass es für ihn keine Quelle und keine Hoffnung gibt?
»Ja«, antwortete er. »Zur Regenbogenburg um die Königin zu warnen. Um zu sehen, wie Diolen besiegt wird!«
Amina warf ihm einen Blick über die Schulter zu, in ihren Augen blitzte ein Funken Spott.
»Du lügst, Ravin va Lagar«, sagte sie. »Ich lese es in deinen Augen. Und was ich da sehe, macht mir Sorgen.« Sie wurde ernst. »Wenn es Skaardjas Quelle nicht gibt«, flüsterte sie, »dann wirst du einen anderen Weg finden, ihn zu befreien. Gib Jolon nicht auf, Ravin!«
Ihm schoss das Blut in die Wangen, vor Wut, wie er dachte, doch er erschrak, als er erkannte, dass er sich ertappt fühlte. Er war kurz davor, seinen Bruder aufzugeben! Vor Scham hätte Ravin weinen und Amina eingestehen mögen, dass sie Recht hatte, dass er mutlos und verlassen war. Doch zu seiner eigenen Überraschung spürte er, wie Ärger in ihm aufwallte.
»Wie kommst du darauf, dass ich auch nur daran denke, ihn aufzugeben!«, fuhr er sie an. »Hast du etwa bereits aufgegeben?«
Amina sah ihn immer noch unverwandt an. Schon schämte er sich dafür, sie so angefahren zu haben, doch im nächsten Moment fühlte er ihre Arme um seinen Hals. So überrascht war er von ihrer Umarmung, dass er nicht zurückwich.
»Du lügst immer noch, Ravin«, meinte sie leise. »Und ich lüge auch, wenn ich sage, dass ich noch Hoffnung habe. Aber wir werden nicht aufgeben.«
Sie löste sich von ihm, wischte sich die Tränen ab und warf sich die Satteltaschen über die Schulter. Ravin sah ihr mit hängenden Armen nach, wie sie zu ihrem Banty ging.
Kurz darauf kehrten Darian und Skaardja zur Höhle zurück. Darian wirkte immer noch verstört, doch er war gefasst und sehr ruhig. Dondo drehte den Kopf und stupste ihn spielerisch, als er abstieg, aber Darian lächelte nicht und strich ihm nur abwesend über die Nase. Diese Ruhe kannte Ravin an seinem Freund nicht. Sie war ihm unheimlich. Ladro und Mel Amie hatten zwei Horjun-Pferde gesattelt und warteten nun vor der Höhle.
Skaardja war voller Energie.
»Guten Morgen, Waldmensch Lagar!«, rief sie schon von weitem. »Bist du bereit für die brennenden Fische?«
Sie winkte einen Höhlentreter heran, der sofort aufsprang und nach einem Beutel griff, der neben ihm lag.
»Der Weg wird lang«, sagte sie. »Und ich möchte euch einige Dinge mit auf den Weg geben.« Sie zog aus dem Sack ein sichelförmiges Messer und gab es Mel Amie.
Die Kriegerin zog die Brauen hoch. Dann lächelte sie.
»Du weißt ja, was ich dir über Seeschlangen und ähnliches Getier gesagt habe.«
Mel Amie nickte. »Danke, Skaardja.«
»Und dies soll Ladro für euch aufbewahren.«
Sie holte einen prall gefüllten Beutel heraus.
»Sechshundert Skildis. Du weißt, zu wem du damit gehst.«
»Zu Kapitänin Sumal Baji Santalnik im Hafen von Dantar. Wo immer das auch ist.«
Skaardja nickte und blickte in die Runde. Ihr Blick blieb an Darian hängen.
»Nun zu dir«, sagte sie und seufzte. »Dir gebe ich zurück, was dir gehört.«
Behutsam griff sie in den Beutel und holte Darians magisches Licht heraus. Er streckte seine Hand danach aus und die Flamme sprang zu ihm.
»Was die Karte betrifft, dachte ich mir, es sei nicht klug, euch eine auf Leder gemalte Karte zu geben, die euch jeder stehlen kann«, fuhr Skaardja fort. »Deshalb habe ich Darian zum
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