Im Bann des Fluchträgers
blendete. Aber ich verstehe, warum Laios ihn als Schüler angenommen hat. Hinter so viel Ungeschicklichkeit müssen Wahnsinn und Talent stecken. Zumindest hoffe ich, dass auch Talent dabei ist. Immerhin war er in der Lage, die Reiter aus Run zu besiegen.«
Ravin seufzte.
»Ich mache mir große Sorgen um ihn. Seit Sellas Tod hat er sich so sehr verändert.«
»Jeder Zauberer muss durch ein Meer von Schmerz, Ravin.« Sie lächelte müde, ein bitterer Zug legte sich um ihren Mund. »Ich bin sicher, Laios ist durch den Schmerz gewandert. Ich ebenfalls. Auch Darian hat diesen Weg vor sich, selbst wenn dieser ihn in Wahnsinn und Tod führt. Denn es ist sein Weg, auf dem ihn niemand begleiten kann – auch du nicht.«
Ravin schauderte. Die angenehme Wärme des Weins löste sich mit einem Mal auf und ließ ihn nüchtern und frierend im Nachtwind zurück. Die Eselhufe klapperten über einen schmalen Felsgrat.
»Und Amina?«, fragte er leise. »Wohin führt ihr Weg?«
»Amina?« Skaardja winkte ab. »Eine Woran kennt nur Rache und Tod. Das ist nicht mein Metier.«
Ravin zuckte zusammen.
»Aber sie ist keine Woran!«, rief er. Skaardja warf ihm einen überraschten Seitenblick zu.
»Seltsam, mir war so, als sähe ich – eine Woran. Sie hat dieses Gesicht.«
»Nein, sie ist wie wir.«
»Ja? Nun, vielleicht habe ich nur ein Spiegelbild gesehen«, lenkte sie beinahe gleichgültig ein. »Wie auch immer, sie verbirgt etwas. Sie trägt jemanden in ihrem Herzen.«
Ravin schluckte.
»Sie trägt jemanden im Herzen?«, fragte er leise.
Skaardja sah ihn nachdenklich an.
»Nicht dich«, sagte sie. »Und an deiner Stelle wäre ich froh darüber, Waldmensch Lagar.«
Ravin senkte den Kopf und schwieg. Irgendwo zwischen Rippen und Magen pochte etwas, das sich anfühlte, als würde die Wut auf die alte Zauberin an seiner Seite wieder aufflackern. Er brauchte lange um sich einzugestehen, dass es in Wirklichkeit Enttäuschung war.
U
nd es gibt keinen anderen Weg als den über das Majuma-Meer?«, fragte Amina.
»Es bleibt uns keine Wahl, wenn wir schneller sein wollen als die Truppen.«
Ravin und sie standen bei den Pferden, Ravin säuberte mit einem kräutergetränkten Tuch die Brandstrieme an Vajus Hals. Sie verheilte gut, bald würde das Fell wieder wachsen. Im Morgengrauen hatten sie sich von den Jerriks verabschiedet, die nicht nach Tjärg reiten, sondern in das geheime Lager zu ihren Kindern und Alten zurückkehren würden.
»Na schön«, sagte Amina. »Vergessen wir einfach die Ungeheuer und die Strudel, die Mörderwellen und die brennenden Fische.«
Nun lief Ravin ein kalter Schauder über den Rücken.
»Brennende Fische?«
»Sie brennen nicht wirklich, sie glühen nur in der Nacht – aber wenn du einen von ihnen berührst, dann wirft deine Haut an dieser Stelle Blasen und löst sich in Fetzen auf. Du schreist Tag und Nacht vor Schmerz, bis du an Erschöpfung stirbst.«
Ravin schluckte. Vaju rieb ihren Kopf an seiner Schulter, wasserweiches Haar strich über seinen Arm.
»Nun, zumindest Vaju und Dondo wird es gefallen«, sagte er so leicht und unbefangen wie möglich. Er gab Vaju einen Klaps auf den Hals und begann damit, ihr die Taschen mit Proviant auf den Rücken zu schnallen. Aminas Gesicht leuchtete in der Morgendämmerung beinahe ebenso hell wie Vajus schimmerndes Fell.
»Wann kommt Darian zurück?«, fragte sie. Ravin zuckte mit den Schultern und zog den Sattelgurt nach. Vaju schnaubte und stampfte mit dem Vorderhuf auf. Im Tal sammelte sich Nebel. Die Bergspitzen am Horizont erglühten unter der Berührung der ersten Sonnenstrahlen.
»Er hat so viel verloren«, sagte Amina. »Wir alle haben unendlich viel verloren, aber Darian ist das schlimmste Leid zugefügt worden.«
Mit zusammengepressten Lippen beobachtete
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