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Im Bann des Fluchträgers

Im Bann des Fluchträgers

Titel: Im Bann des Fluchträgers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Ra­vin glaub­te zu er­ken­nen, dass sie un­ter dem schwe­ren Stoff ei­ne zwei­te Ge­stalt ver­barg.
    Manch­mal wenn die Son­ne so hoch stand, dass sie oh­ne Schat­ten rit­ten, ver­schwam­men auch am Tag die Gren­zen zwi­schen Traum und Wirk­lich­keit. In die­sen Stun­den schi­en es Ra­vin, als wä­re die Zeit ste­hen ge­blie­ben, als wä­re der Tjärg­wald schon lan­ge Ver­gan­gen­heit und Gis­lans Burg von Un­kraut über­wu­chert, wäh­rend er, Ra­vin, oh­ne Hoff­nung und traum­los im­mer noch durch end­lo­se Flus­stä­ler wan­der­te. Auch Mel Amie und die an­de­ren be­merk­ten, dass das stän­di­ge Rau­schen, das sie be­glei­te­te, et­was in ih­nen frei­spül­te, et­was her­aus­lös­te aus dem Ge­stein ih­rer Er­in­ne­run­gen. Der Fluss ström­te durch ih­re Ge­dan­ken und Träu­me und gab all die Bil­der frei, die sie in sich ver­bor­gen hat­ten, um sie erst sehr viel spä­ter an die Ober­flä­che zu ho­len.
    »Ich muss stän­dig an Jer­rik den­ken, wo im­mer er jetzt auch ist«, ge­stand Mel Amie.
    »Und ich se­he un­ser Ge­fäng­nis vor mir«, sag­te Ladro. »Ich kann so­gar die schwe­len­den Fa­ckeln rie­chen und das Moos, das an den Wän­den wuchs. Es roch wie feuch­tes Ei­sen, er­in­nert ihr euch?«
    Sie schau­der­ten und schwie­gen.
    Nur Jo­lon blieb ver­schol­len und Ra­vin sorg­te sich um­so mehr.
    »Das muss nichts Schlim­mes be­deu­ten«, sag­te Dari­an. »Es kann sein, dass er sei­ne Kraft sam­melt. Oder die Kö­ni­gin ist selbst schlaf­los oder so vie­le Träu­me be­rüh­ren sie, dass sie sich ge­ra­de von dir ab­ge­wandt hat. Viel­leicht gibt es nichts Neu­es und sie spürt, dass wir in Si­cher­heit sind. Sor­ge dich nicht um dei­nen Bru­der.«
    »Träumst du von Lai­os und der Burg?«
    Dari­an schüt­tel­te den Kopf.
    »Ich träu­me nicht mehr«, sag­te er und ver­kno­te­te die En­den sei­ner Zü­gel, um sie Don­do lo­cker über den Hals zu wer­fen. »Sol­len die träu­men, die noch Träu­me im Her­zen ha­ben.«
    Je wei­ter sie ins Flus­stal rit­ten, de­sto hei­ßer wur­de es. Die Son­ne ver­seng­te ih­nen die Haut, die sich an ih­ren Wan­gen und blo­ßen Ar­men zu schä­len be­gann. Das Was­ser im Fluss war lau­warm und trä­ge, die Fi­sche be­weg­ten sich kaum. Nach und nach wur­de der Fluss brei­ter und blan­ker, die Wel­len be­ru­hig­ten sich und ver­schwan­den schließ­lich bis auf ein paar klei­ne Stru­del, die un­ver­mu­tet auf­tauch­ten und sich wie­der in Nichts auf­lös­ten. Ra­vin war sich nicht si­cher, ob er nicht hier und da ei­ne durch­sich­ti­ge Flos­se in der Son­ne glän­zen sah. Manch­mal schi­en es ihm so­gar, als wink­te ei­ne Hand ihm zu. Es moch­te ein Naj sein, doch wenn es hier einen gab, dann kam er nie­mals nä­her als bis zur Fluss­mit­te.
    Ami­na ritt in sich ver­sun­ken, blind für die Schön­heit des Flus­stals. Ihr Ban­ty ver­lor sein Fell, sei­ne Sche­cken ver­blass­ten und bleich­ten aus, bis das neue Fell schließ­lich die Far­be der Fel­sen an­ge­nom­men hat­te. Nie­mand au­ßer Ra­vin schi­en sich um Ami­na ernst­haft Sor­gen zu ma­chen. Ha­ger und hart war sie ge­wor­den, die Wun­de an ih­rer Schlä­fe war recht gut ver­heilt und ih­re Au­gen glüh­ten nicht mehr vor Fie­ber. Den­noch be­un­ru­hig­te es Ra­vin, sie schla­fen zu se­hen. Sie schi­en kaum zu at­men und lag starr da, mit zu­sam­men­ge­zo­ge­nen Au­gen­brau­en und zu­sam­men­ge­press­ten Lip­pen, als wür­den qual­vol­le Träu­me sie heim­su­chen. Wenn Ra­vin sie da­nach frag­te, lä­chel­te sie und sag­te, sie ha­be nicht ge­träumt. Doch Ra­vin kann­te den Schmerz zu gut, den Träu­me ei­nem Men­schen be­rei­ten konn­ten, um es nicht bes­ser zu wis­sen.
    Dari­an ritt in die­sen Ta­gen oft an Ra­vins Sei­te oder ging zu Fuß, wenn Va­ju und Don­do al­lein im Was­ser wa­te­ten. Im­mer noch war er still und nach­denk­lich. Ra­vin fiel auf, dass er kein Wort mehr über Sel­la ver­lor. Er er­schi­en ihm viel äl­ter. Trotz­dem ging er nicht blind durch das Flus­stal.
    »Wir wer­den be­ob­ach­tet«, sag­te er ein­mal, als Va­ju ge­ra­de durch das Was­ser trot­te­te und sich in der Mit­te des Flus­ses ein Stru­del bil­de­te. »Da drü­ben ist er.«
    »Ein

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