Im Bann des Highlanders
entdeckte«, sagte Màiri schmunzelnd, doch dann wurde sie von einer Sekunde auf die andere ernst und sprang auf. »Mein Gott, Ewan! Er muss sofort erfahren, dass du wieder da bist!«
»Wieso?« Joans Herz schien einen Schlag auszusetzen.
Màiri lachte glockenhell. »Das fragst du noch? Das kann er dir besser selber erzählen, aye?« Sie gab Joan mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie ebenfalls aufstehen solle und zog sie in das Innere des Turmes. »Versteck dich hier, bis ich mit meinem Bruder zurück bin. Vorerst ist es besser, wenn dich sonst niemand hier sieht.«
Mit weichen Knien sank Joan auf den moosbewachsenen Boden, sie fühlte sich plötzlich schwach und angreifbar. Nun war es so weit, sie würde Ewan wiedersehen.
Doch wie würde dieses Wiedersehen sein? Màiris Andeutungen schienen zwar eindeutig zu sein, aber Joan glaubte an nichts mehr, bevor sie sich nicht mit eigenen Augen davon überzeugt hatte.
»Du bist sicherlich hungrig, ich werde etwas zu essen mitbringen.« Geschäftig lief Màiri auf und ab, als befände sie sich in ihrer Kammer und nicht inmitten der Ruine eines verfallenen Keltenturm, dessen Dach der Himmel war. »Und eine Decke ... ach nein, hier kannst du unmöglich über Nacht bleiben. Und dich in die Burg zu schmuggeln, ist zu gefährlich. Lass mich nachdenken, ich finde schon eine Lösung.«
Nach einigen Ermahnungen , andere Zeitgenossen betreffend, die Joan nicht entdecken durften, eilte Màiri davon mit dem Versprechen, so schnell es ging mit Ewan zurück zu kommen.
Mit geschlossenen Augen lehnte sich Joan gegen die harte Mauer. Sie hatte es geschafft – oder doch nicht? Noch wusste sie nicht, wie Ewan bei ihrem Anblick reagieren würde, wie ihr weiteres Leben in den Highlands aussehen würde.
26. Kapitel
Ruckartig schoss Joans Kopf in die Höhe, als sie nach einer ganzen Weile, während der sie reglos an der Mauer gehockt hatte, verhaltenes Hufgetrappel hörte. Im ersten Impuls wollte sie aufspringen und Ewan entgegen eilen, aber dann überwog die Vernunft. Vielleicht war er es gar nicht, sondern ein Dragoner auf Patrouille. Nein, das Getrappel kam eindeutig von mehreren Pferden.
Vorsichtig richtete Joan sich auf, den Blick auf den türlosen Eingang geheftet, auf alles gefasst. Als sie dann Ewans hohe Gestalt entdeckte, entwich ihr ein erlöstes Seufzen.
Ruhig stand Ewan am Türbogen, und so schön, dass es Joan fast den Atem verschlug. Sein langes Haar war durch den Ritt leicht zerzaust und das Plaid nur achtlos über die Schulter geworfen, sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich schnell. Seine blauen Augen musterten Joan, die ebenfalls wie angewurzelt dastand, es war ein unbestimmter Ausdruck in ihnen, der sie unsicher machte.
Doch dann kam plötzlich Bewegung in Ewan, und mit wenigen Schritten war er bei ihr. Ohne Joan zu berühren, sagte er: »Du bist zurückgekommen ...«
»Ja«, antwortete sie ebenso schlicht. Er stand so dicht vor ihr, dass sie seinen männlichen Geruch wahrnehmen konnte und fürchtete, er könne ihren Angstschweiß riechen.
Sekundenlang standen sie so da, versunken im Blick des anderen. Und dann zog Ewan sie unvermittelt in die Arme und presste sein Gesicht in ihr Haar.
»Bitte bleib bei mir.«
Überwältigt von seinem Wunsch lehnte sich Joan gegen seine Schulter und hauchte kaum vernehmbar: »Deshalb bin ich wieder hier.«
Er schob sie ein wenig von sich, und nun konnte sie reine, ehrliche Liebe in seinen Augen erkennen – und wenn sie bisher noch Zweifel ob ihrer Zeitreise gehegt hatte, so waren sie in diesem Augenblick restlos erloschen.
»Tha gaol agam ort«, kam es ganz leise von seinen Lippen, und dank Màiris Gälischunterricht wusste Joan, was Ewan mit diesen Worten meinte.
Sanft fuhren ihre Fingerspitzen die Konturen seines schönen Gesichts nach, als sie leise sagte: »Ich liebe dich auch, ohne dich hatte das andere Leben keinen Sinn.«
»Màiri hat mir alles erzählt ... wer du tatsächlich bist, woher du gekommen bist ...«
Mit großen Augen starrte sie ihn an. »Dann weißt du also, dass ich eine Zeitreisende bin?«
Ernst nickte er. »Zuerst wollte meine Schwester nichts sagen, als du plötzlich aus ihrer Kammer verschwunden warst, doch ich ließ nicht locker, bis sie es mir unter Tränen erzählte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie dir versprochen hatte, zu schweigen, aber schließlich hatte sie Mitleid mit mir. Später meinte sie, dass sie schon lange wusste, dass ich mich in dich verliebt hatte –
Weitere Kostenlose Bücher