Im Bann des Highlanders
nicht ganz kahl, zudem war es nicht so kalt wie vor der Zeitreise. Es roch stark nach Pilzen – wie im Oktober 1731, als sich Joan genau an derselben Stelle von Màiri verabschiedet hatte.
Verstohlen blickte sie sich um; sie hatte sich zwar Gedanken über ihre mögliche Zukunft in der Vergangenheit gemacht, nicht aber drüber, wie sie Ewan gegenüber treten sollte. Wenn die Zeit richtig war, würde man Joan noch immer für eine Hexe halten, und es war sinnvoller, sich versteckt zu halten.
Der kalte Morgenwind ließ sie in ihrer dünnen Bluse erzittern, sie brauchte dringend das Tuch, um sich vor der Kälte zu schützen.
Suchend blickte sich Joan um. Direkt neben der Grube befand sich ein kleiner, mit Farnen und Moos bewachsener Hügel. Flüchtig erinnerte sich Joan an den Traum, der so realistisch gewesen war, dass sie geglaubt hatte, Ceanas Angstschweiß riechen zu können. In diesem Traum hatte sie den frisch aufgeworfenen Erdhaufen erkennen könne. Niemand schien sich die Mühe gemacht zu haben, ihn zu beseitigen, sodass im Laufe der Jahre die Natur von ihm Besitz ergriffen hatte.
Langsam schritt Joan um den Hügel herum und fand dahinter einen Kaninchenbau – ein ideales Versteck für die Gebeine. Der Bau schien verlassen zu sein, und nachdem die Knochen darin untergebracht waren, deckte sie den Eingang mit einer dicken Schicht Laub zu.
In diese Gegend kam kaum jemand, hatte Màiri versichert, da von den Leuten des MacLaughlin Clans dieses Gebiet noch immer gemieden wurde.
Bevor sie den Weg durch das Unterholz antrat, erinnerte sie sich an das Amulett, das noch immer in ihrem Mieder steckte.
Ein leiser Ausruf der Überraschung entfuhr Joan, als sie das Schmuckstück nun im Tageslicht sah. Sie hatte es schon einmal in den Händen gehalten.
Es war ein Teil von Großmutter Fionas Vermächtnis gewesen, Joan erkannte es an der Auffälligkeit des Amuletts. Wie war Fiona dazu gekommen? Es stand eindeutig fest, dass es Ceana Matheson gehört haben musste.
Sie war zu verwirrt, um weiter darüber nachdenken zu können und ließ den Schmuck in ihre Rocktasche gleiten, bevor sie sich fest in das Schultertuch einwickelte.
Seitdem sie in der Grube aufgewacht war, hatte Joan kaum an Ewan gedacht, aber nun, da sie ihn nur wenigen Meilen von sich entfernt hoffte, wurde der Drang, ihn zu sehen, von Minute zu Minute stärker.
Trotzdem hatte Joan keine Eile. Langsam kämpfte sie sich durch das Dickicht, stets darauf bedacht, nicht zu viel Lärm zu machen, um nicht wieder ein paar Gesetzlosen in die Arme zu laufen. Immer wieder blieb sie mit dem Saum ihres Rockes an Wurzeln hängen oder ihre langen Haare verfingen sich in den trocknen Ästen. Doch kein Laut kam über ihre Lippen.
Konzentriert überlegte sie, wie sie Màiri informieren konnte, dass sie zurück war, immerhin konnte sie nicht schnurstracks zur Burg marschieren. Sähe man sie dort, säße sie rasch wieder im Verlies – und diesmal würde sie strenger bewacht werden als beim ersten Mal.
Schon von Weitem sah Joan zwischen den Baumstämmen das hellgraue Gestein des wegweisenden Felsbrockens; zumindest hatte sie es so weit geschafft, ohne jemandem zu begegnen. Erschöpft ließ sie sich am Wegrand nieder, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie tatsächlich alleine war.
Ihr Magen knurrte plötzlich laut und vernehmlich, und sie überlegte, wie lange es wohl genau her war, seit dem Frühstück in der Pension. Die warme, rauchgeschwängerte Luft des Schankraumes, Lucys unaufhörliches Geplapper, Maggies freundliches Lächeln, kamen ihr in den Sinn.
Nachdenklich kaute sie an ihrer Unterlippe, während sie nach einer Möglichkeit suchte, mit Màiri in Kontakt zu treten. Die Schottin hatte von dem alten Rundturm erzählt, an dessen Fuß sie Pflanzen zum Färben sammelte und in dessen schützenden Mauern sie sich mit Mìcheal traf.
Langsam stand Joan auf, sie musste diesen Turm finden und bedauerte, ihn nicht auf ihrer Besichtigungstour im Jahre 2005 aufgesucht zu haben, das würde die Dinge nun wesentlich vereinfachen.
Mit geschlossenen Augen versuchte sich Joan an Fionas Karte zu erinnern, auf der auch die Stelle des alten Keltenturms eingezeichnet gewesen war. Joan glaubte sich zu erinnern, dass er westlich von Glenbharr Castle zu finden war, aber ganz sicher war sie nicht – zumal sie nicht genau wusste, wo Westen war.
Ohne eigentlich zu wissen, weshalb, schlug Joan die Richtung parallel zur Burg ein, auf dieser Seite des Waldes war das Unterholz
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