Im Bann des Highlanders
Engländerin bist. Und deine eigenartige Aussprache passte auch nicht zu der Lumpenkleidung, die du getragen hast; all dies hat dich in Ewans Augen verdächtig gemacht. Die Sasannach machen uns das Leben schwer, wo sie nur können, und es ist Ewans Pflicht, die Augen aufzuhalten und verdächtige Personen festzunehmen.« Sie brach ab und sah Joan eine Weile beim Essen zu.
»Hätte er mich doch bloß laufen lassen«, gab Joan unvermittelt mit Verzweiflung in der Stimme zurück, »dann wäre ich längst wieder zu Hause!«
Bedächtig ruhten Màiris dunkle Augen auf Joan, dann schluckte sie einmal und fragte kaum hörbar: »Wer bist du?«
Einen Moment überlegte sie, dann entschloss sie sich, zumindest einen Teil ihrer Geschichte zu erzählen. »Ich machte einen Spaziergang durch den Wald, als ich in eine Art Grube stürzte und um Hilfe rief, weil ich mir das Fußgelenk verstaucht hatte. Leider hörten nur ein paar Wegelagerer meine Rufe, sie nahmen mich mit und hielten mich tagelang gefangen.« Sie schob die Ärmel etwas hoch, sodass die inzwischen verblassten Wunden, die die Handfesseln verursacht hatten, zu sehen waren. »Nach einigen Tagen gelang mir die Flucht und gerade, als ich aus dem Wald herausgefunden hatte, traf ich auf deinen Bruder ... oder besser gesagt, er auf mich.«
Doch diesmal ließ sich Màiri nicht so schnell beschwichtigen; offensichtlich hatte sie das Gespräch mit Ewan nachdenklich gemacht. »Aye, das will ich dir gern glauben, aber du sagst, dass du aus London kommst und dorthin zurück möchtest. Wie bist du in unsere Wälder geraten? Keine feine Dame macht einen Spaziergang im Dickicht, wenn sie keinen guten Grund dafür hat.«
Dem hatte Joan nichts entgegen zu setzen und machte sich wieder über ihr Frühstück her. »Vertrau mir, eines Tages werde ich dir alles sagen, aber jetzt kann ich noch nicht darüber reden.«
»Schade.« Màiri erhob sich. »Wenn Ewan genau wüsste, weshalb du dich vor den Soldaten deines Landes versteckt hast, könnte er vielleicht besser verstehen, weshalb ich dir Unterschlupf gewähre.«
Joan nickte, obwohl sie eher das Gegenteil annahm. Würde sie dem Sohn des Lairds die Wahrheit sagen, würde sie vermutlich nicht wieder im Kerker landen, sondern in der Grube.
»Was hast du vor?«, fragte sie, als Màiri aus einer Ecke einen geflochtenen Henkelkorb holte und Anstalten machte, die Kammer zu verlassen. »Ich dachte, du würdest mir zumindest so lange Gesellschaft leisten, bis ich mit dem Frühstück fertig bin.«
»Das würde ich gern, aber ich muss neue Pflanzen und Blumen zum Färben sammeln. Ich hatte dir doch von dieser einsamen Stelle erzählt, wo sie besonders farbenprächtig wachsen.« Sie machte mit dem Kinn eine Bewegung zum Fenster, dessen Vorhänge nun aufgezogen waren, sodass helles Morgenlicht in die kleine Kammer strömte. »Heute wird ein besonders sonniger Tag, und ich möchte nicht versäumen, meinen Vorrat an Pflanzen zu vergrößern.«
Joan beneidete Màiri um ihre Freiheit. Sie konnte gehen, wohin sie wollte und so viel klare Luft einatmen, wie sie mochte.
Nachdem sie wieder alleine war, zog sie ihren Webrahmen zu sich heran und betrachtete kritisch ihr Werk. Ihr Tuch würde niemals so fein werden wie Màiris, doch das Weben half, mit ihrer Angst fertig zu werden.
Sie wusste nicht, wie lange sie mit gesenktem Kopf über ihrer Arbeit gesessen hatte, als ein Geräusch sie herumfahren ließ.
An der Tür stand Ewan, sein Verhalten schien allerdings nicht mehr ganz so abweisend zu sein wie am Vorabend. Langsam trat er näher und blieb neben dem Tisch stehen.
»Màiri ist nicht hier«, sagte Joan mit belegter Stimme, als sie merkte, dass Ewan sie stumm betrachtete. »Sie hat nicht gesagt, wann sie zurück sein wird.«
»Ich weiß, dass sie im Wald auf Pflanzensuche ist«, gab er mit verschlossener Miene zurück. »Deshalb bin ich auch nicht hier.«
Joans Herz schien in die Magengegend zu rutschen, sie hatte bereits befürchtet, dass Ewan ihretwegen die Kammer seiner Schwester aufgesucht hatte. Er griff die Lehne eines Stuhles, drehte ihn herum und setzte sich rittlings darauf, Joan ließ er dabei nicht aus den Augen.
»Màiri und ich haben uns vorhin lange über Euch unterhalten. Sie ist von Eurer Unschuld überzeugt, aber ich bin das nicht. Möglich, dass Ihr keine Hexe seid und unser Vater bei Eurem Anblick zu hysterisch reagiert hat ... doch Ihr seid nicht ohne Grund durch unsere Wälder geirrt.«
Stockend erzählte Joan noch einmal
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