Im Bann des Highlanders
erscheinen, und ich werde dir eines Tages sagen, wieso ich hier bin. Aber eines musst du mir glauben: Ich habe nichts verbrochen und auch nichts Böses im Sinn.«
Mit einem sanften Lächeln blickte Màiri auf, nahm Joans Hand und drückte sie leicht. »Ich weiß, dass du nichts Böses im Sinn hast, aber das will Ewan einfach nicht glauben.«
Unterdrückt seufzte Joan auf. Wenn er seine Androhung wahr machte und sie öfters aufsuchen würde, müsste sie sich wohl auf einige Wortgefechte gefasst machen.
Bereits am nächsten Vormittag, während Màiri sich um ihre Söhne kümmerte, betrat Ewan, ohne vorher anzuklopfen, die kleine Kammer, sodass Joan, die mit Shakespeares King Lear in der Nähe des Fensters saß, einen spitzen Schrei ausstieß und das Buch mit einem lauten Knall zu Boden fallen ließ.
»Habt Ihr denn keine Manieren?«, stieß sie atemlos hervor, nach der Unterhaltung mit Màiri mutig geworden. »Man betritt den Raum einer Lady nicht, ohne vorher anzuklopfen.«
Amüsiert hob Ewan eine Augenbraue, bevor er näher trat und erwiderte: »Ich sehe hier keine feine Dame.« Ungefragt zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich dicht gegenüber Joan. »Was lest Ihr da?«
»King Lear, das Buch gehört Eurer Schwester.«
Er lächelte breit und sah plötzlich gar nicht mehr so grimmig aus. Dann hob er den dicken Wälzer vom Boden auf und erklärte: »Genau wie Màiri und Darla hatte ich Privatlehrer, denen ich mein heutiges Wissen zu verdanken habe. Neben der englischen Sprache standen natürlich auch die großen Dramatiker und griechischen Philosophen auf dem Stundenplan.«
Vor Verblüffung fiel Joan keine Antwort ein, und so nickte sie nur vage. Ein gebildeter Highlander – so etwas gab es also auch!
Mit einer großzügigen Geste reichte er Joan das Buch zurück. »Ihr könnt ruhig weiterlesen, das stört mich nicht.«
»Aber mich«, antwortete sie knapp und legte das Buch auf den Fenstersims. Dann richtete sie ihren Blick auf den Mann vor sich, der ihr direkt in die Augen schaute. Sie fragte sich, was er wohl von ihr denken mochte, und als sie bemerkte, dass sein Blick langsam zu ihrem hochgeschnürten Busen glitt, griff sie spontan zu ihrem Schultertuch und schlang es sich um, obwohl es warm im Zimmer war.
»Mein Vater hat sich mittlerweile wieder etwas beruhigt«, sagte Ewan unvermittelt. »Das heißt allerdings nicht, dass Ihr jetzt sicher seid. Jeder Bewohner von Glenbharr Castle ist angehalten, ihm sofort Bescheid zu geben, wenn er Euch sieht.«
»Dann ahnt er, dass ich noch hier bin?«
Achselzuckend erwiderte er: »Das kann ich nicht sagen, aber zumindest konnte ihn meine Mutter besänftigen. Auch sie will nicht glauben, dass Ihr diese Hexe seid.«
Immerhin etwas! Leicht beflügelt sagte Joan: »Wenn es so ist, brauche ich mich doch eigentlich nicht mehr zu verstecken.«
Wieder hob Ewan eine Augenbraue, und Joan sollte bald erfahren, dass dieses eine Geste der Belustigung war. »So einfach ist es aber nicht, Seonag. Ihr seid als Engländerin unsere Feindin, habt Ihr das vergessen? Weshalb habt Ihr Euch vor den Truppen des Königs versteckt? So etwas tut nur jemand, der nicht entdeckt werden will.«
»Unsinn.« Sie zog das Plaid fester um ihre Schultern, um Zeit zu gewinnen. Eine logische Erklärung musste schnellstens gefunden werden, wenn sie sich nicht noch verdächtiger machen wollte.
Ewan lehnte sich zurück, verschränkte die Arme unter der muskulösen Brust und blickte abwartend zu Joan hinüber, die noch immer mit ihrem Schultertuch beschäftigt war. »Ich warte.«
»Meine Güte, ich hatte Angst!«, stieß sie schließlich hervor. »Nachdem ich von Wegelagerern überfallen worden war, hielt ich es für sicherer, mich bei jedem verdächtigen Geräusch im Dickicht zu verstecken.«
»Soso. Ihr hättet aber zu den Dragonern laufen und sie um Hilfe bitten können. Ich denke, der Kommandant hätte dafür gesorgt, dass Ihr schnell und sicher wieder nach England gekommen wärt.«
»Was haben die Soldaten in Euren Wäldern gewollt?«, fragte sie, um vom eigentlichen Thema abzulenken. »Sie sahen ziemlich entschlossen aus.«
Ungläubig starrte Ewan sie an. »So dumm und unerfahren könnt Ihr doch nicht sein. Die Sasannach versuchen, uns Hochlandschotten zu unterdrücken und uns ihre Gesetze aufzuzwingen. Das ist seit den ersten Aufständen im Jahre 1715 so, ich kenne es gar nicht anders. Überall sind die Rotröcke stationiert, auf der Route von Perth nach Inverness, in Ruthven, haben
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