Im Bann Des Jaegers
Er ist außergewöhnlich stark. Er ist auch sehr wachsam und nimmt deutlich wahr, was um ihn herum vorgeht. Als ich ins Zimmer kam, hat er mich sofort fest angesehen, ohne zu blinzeln, es war schon fast ein unbehagliches Gefühl – wie ein Raubtier. Ich weiß, dass du DNA von Raubkatzen hast, und Rose hat zugegeben, dass auch sie diese DNA hat. Er hat ein paar Eigenschaften, die mich glauben lassen, dass er sich schneller als die meisten Kinder entwickelt, aber ich bin kein Experte, was Babys betrifft.«
Kane wirkte leicht ungehalten. »Willst du damit sagen, er sei zum Teil ein Tier? Sollten wir damit rechnen, dass ihm Krallen wachsen?«
Paul schüttelte hastig den Kopf. »Nein, nein, natürlich nicht. Ich sage nur, ihr solltet euch besser darauf gefasst machen, dass ihr recht bald außergewöhnliches Verhalten zu erwarten habt. Seine Lunge, sein Herz und sämtliche Organe sind perfekt funktionsfähig. Er ist extrem gesund. Wirklich. Nichts Verrücktes, er hat kein Leopardenskelett, aber seine Intelligenz ist unverkennbar. Wenn man ihn ansieht, hat man das Gefühl, er versteht einen. Als Rose mich ihm vorgestellt hat, ist dieser wachsame Blick verschwunden, und er wirkte genauso wie ein normales Baby, das einen Fremden mustert.«
Die Erklärung kam sturzbachartig aus ihm heraus. Paul sprach schnell und stolperte über seine eigenen Worte, denn er versuchte ihnen etwas zu vermitteln, was nicht greifbar war, ein Ding der Unmöglichkeit. Kane verstand ihn. Ihm war Sebastians eigentümliches Starren bereits aufgefallen und auch der allzu intelligente Blick, mit dem der Junge ihn oft ansah. »Danke, dass du ihn dir angesehen hast, Paul.«
»Als ich ein paar Krafttests mit ihm durchgeführt habe, hat er fest zurückgedrückt, fester, als ich es einem Kind in seinem Alter zugetraut hätte.« Wieder purzelten die Worte beinah übereinander. Offensichtlich war Paul begierig darauf, über das Baby und all seine mutmaßlichen Möglichkeiten zu reden oder ihnen zumindest seine Ideen zu unterbreiten, um zu sehen, was sie dazu sagten.
»Du weißt, dass du Sebastian niemandem gegenüber erwähnen darfst«, sagte Mack zu Kanes Verblüffung.
Rose warf ihm einen dankbaren Blick zu.
Mit dieser Bemerkung brachte er Paul ins Stocken. Er errötete. »Natürlich nicht. Kein Wort außerhalb dieses Raums und niemals gegenüber jemandem, der kein Mitglied unseres Teams ist.«
»Unserer Familie«, verbesserte ihn Mack. »MancheLeute halten sich für zu uns gehörig, aber sie gehören nicht zu uns. Du beschützt Sebastian auf dieselbe Weise, auf die wir einander beschützen.«
»Ich hab’s kapiert, Boss«, versicherte ihm Paul.
Er wirkte so unbeholfen, dass Kane sich seiner erbarmte. »Kaffee steht bereit, Paul. Wir unterhalten uns gerade darüber, was Mack über die Bedrohung erfahren hat, die über Roses Kopf schwebt.«
Paul warf ihm einen dankbaren Blick zu und machte sich auf den Weg zur Kaffeekanne.
»Worin genau besteht die Bedrohung, abgesehen davon, dass sie meinen Namen kennen?«, fragte Rose. »Soweit ich weiß, hat mich keiner von ihnen lebend gesehen.«
»Da war eine alte Frau«, rief ihr Mack ins Gedächtnis zurück. »Ihr Name ist Olivia Lopez Martinez. Ihr Sohn hat den Stadtrand bewacht, als ihr beide entkommen seid. Anscheinend hast du so getan, als hättest du Wehen. Anscheinend hat sie ein Foto von dir gemacht.«
Roses dunkle Augen wurden groß. »Verdammt nochmal. Verfluchter Mist. Sie war meine Nachbarin, und sie schien eine so nette Frau zu sein.«
»Sie hat dich mit Diego Jimenez bekanntgemacht.« Kane formulierte es nicht als Frage.
Ich war so lange Zeit allein, und ich habe mich so angreifbar gefühlt, in einem fremden Land und ohne wirklich zu wissen, wie man außerhalb eines militärischen Geländes den Alltag verbringt. Ich habe mich zu älteren Menschen hingezogen gefühlt, weil ich dachte, von ihnen könnte ich etwas lernen, und weil sie viel weniger bedrohlich waren. Ich kann kaum glauben, dass diese reizende alte Dame in ein Kartell hineingeboren wurde.
»Das stimmt«, gestand sie laut ein. Sie sah Kane an und wollte sich entschuldigen, aber es war ihr auch wichtig, dass er sie verstand.
Ich habe einen weiteren Feind quasi hierhergeführt. Als hätte deine Familie nicht ohnehin schon zu viele Menschen gegen sich. Es tut mir so leid, Kane. Ich hatte solche Angst, als die Geburt des Babys näher rückte.
Kane stand auf, nicht ganz so geschmeidig wie gewohnt, aber er schaffte es ohne einen Stock
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