Im Bann Des Jaegers
überlegen ist. Er hat einflussreiche Freunde, die ihn unterstützen. Das gibt ihm die Selbstbestätigung, die er braucht, und es bestärkt ihn in seinem Glauben, über dem Rest der Menschheit zu stehen. Gesetze haben für ihn keine Geltung.«
»Kannst du sehen, wie fantastisch Dr. Lambert seine Sache gemacht hat?«, fragte Paul und wies mit dem Kinn auf Kane.
Rose schüttelte den Kopf. »Ich sehe gar nichts, es sei denn, eine Krisensituation tritt ein. Deshalb kann ich auch nicht sicher sein, ob Sebastian rundum gesund ist. Ich weiß, dass er nicht in unmittelbarer Gefahr schwebt, aber ich kann ihn nicht untersuchen.«
»Besitzt eine der anderen Frauen diese Gabe?«, fragte Paul.
»Wir haben ziemlich früh damit aufgehört, Informationen auszutauschen, weil er unsere Gespräche aufgezeichnet hat. Die meisten von uns wurden durch diesen Zwang zu Heimlichkeiten sehr verschlossen. Whitney glaubte, jede von uns besäße eine stark ausgeprägte Gabe und vielleicht noch eine zweite, die weniger stark entwickelt ist. Erst als er angefangen hat, an Erwachsenen zu experimentieren, ist er dahintergekommen, dass eine Person mehr als nur eine ausgeprägte übersinnliche Gabe besitzen kann. In der Folge hat er uns isoliert, aber zu der Zeit hatten wir schon gelernt, wachsam zu sein.«
Kane zog an ihrer Hand, denn es beunruhigte ihn, dass Paul in ihn hineinstarrte. »Komm und sieh dir das Baby an, Paul.«
»Ich habe noch nie einen Säugling untersucht«, wandte Paul besorgt ein. »Ich bin nicht sicher, ob ich dazu fähig bin.«
»Wir haben keinen anderen als dich«, sagte Kane. »Also bist du dazu fähig. Sieh ihn dir an.« Er trat zurück, damit Paul ins Schlafzimmer kommen konnte, wo das Kinderbettchen stand.
Rose blieb dicht an seiner Seite, als Paul auf das Bettchen zuging. Kane bedeutete Javier, ihm aus dem Zimmer zu folgen. Er wollte ganz genau wissen, welchen Bedrohungen seine Familie ausgesetzt war. Rose würde nicht von Sebastians Seite weichen, solange Paul bei ihm war, und das gab ihm die Gelegenheit, sich ein Bild von den Gefahren zu machen.
»Wo ist Mack?«, fragte er schroff.
»Hat Paul dir nicht gerade gesagt, du solltest dich ausruhen?«, fragte Javier und zog eine Augenbraue hoch.
»Scheiß drauf. Was geht hier vor, Javier? Das halbe Team fehlt, und erzähl mir bloß nicht, sie hätten irgendwo anders einen Auftrag zu erledigen.«
Javier zuckte die Achseln und stolzierte in die Küche, um sich einen Kaffee einzuschenken. »Mack wird in ein paar Minuten hier sein. Er war nicht allzu weit hinter uns. Eine prima Frau hast du dir zugelegt. Sie gibt zu, dass sie von früh an gelernt hat, verschlossen zu sein, und doch bemüht sie sich offensichtlich, mit der Sprache herauszurücken, um uns ihren guten Willen zu zeigen. Das erfordert großen Mut.«
Die Bewunderung in Javiers Stimme ließ Kane aufblicken. Javier verbarg im Allgemeinen sein Innenleben und zeigte nur selten echte Gefühle.
»Du solltest sie erst mal in Aktion erleben«, sagte Kane. »Kein Zaudern, Javier. Keine Spur davon. Sie tut, was getan werden muss.«
»Das kann ich mir bei ihr vorstellen. Ich habe ihr ein Messer an die Kehle gehalten, Kane. Als sie dich im Hubschrauber aufgeschnitten hat. Wir hatten dich gerade erst an Bord gezogen, und alles war voller Blut, und im nächsten Moment war sie auf den Knien und schnitt dir den Bauch auf. Sie hat mir einen teuflischen Schrecken eingejagt. Ich dachte, sie macht Hackfleisch aus dir, so schnell ging das. Ich habe ihr mein Messer an die Kehle gehalten, dicht genug, um die Haut aufzuritzen, und sie ist nicht mal zusammengezuckt. Ich schwöre es dir, sie hat nicht mit der Wimper gezuckt. Sie hat blitzschnell weitergearbeitet, als sei nichts. Sie war über und über mit deinem Blut beschmiert, und sie hat uns allen Befehle erteilt. Sie hat uns angebrüllt. Schließlich haben wir dann genau das getan, was sie gesagt hat. Mann, ist die Frau cool, einfach unfassbar.«
»Dafür, dass du sie bedroht hast, sollte ich dich zu Brei schlagen«, sagte Kane, »aber es würde ja doch nicht das Geringste nutzen. Du tätest dasselbe wieder.«
»So was habe ich noch nie gesehen, Kane«, antwortete Javier ernst und lehnte sich mit seinem Kaffeebecher in der Hand an die Spüle zurück. »Ganz im Ernst, es ging irrsinnig schnell, keine überflüssige Bewegung, als sie dich vor unseren Augen aufgeschnitten hat, ohne zu zögern; noch nicht mal, als ich ihr gedroht habe. Sie ist eine sehr ungewöhnliche Frau –
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