Im Bann des Maya-Kalenders
geborene Hahn von Rottenstein (1877–1931). Blavatsky lebte teilweise in Indien und Sri Lanka und behauptete, die theosophische Lehre von einem »Meister« empfangen zu haben. Zentraler Glaubensinhalt der Theosophie: Der Mensch muss sein Bewusstsein mit Hilfe von spirituellen Ritualen und mystischen Erkenntnissen entwickeln und sich dabei an die Anweisungen der »Großen weißen Bruderschaft der aufgestiegenen Meister« halten, die von den weltlichen Repräsentanten vermittelt werden.
Theosophie ist eine Mischung aus fernöstlichen Heilslehren und okkulten Versatzstücken. Ziel der magischen Reise ist die Verbindung der Menschen mit der göttlichen (kosmischen) Hierarchie und die Aktivierung des eigenen göttlichen Potentials. Das Gedankengut Blavatskys schimmert überall im New Age und in der modernen Esoterik durch.
Die Theosophen glauben an das baldige Erscheinen des »neuen Christus«, häufig als Lord Maitreya oder St. Germain bezeichnet. Dieser soll das Wassermann-Zeitalter begründen und die Menschheit ins höhere Bewusstsein führen. Verschiedene Splittergruppen der Theosophischen Gesellschaft arbeiten heute noch nach den Grundsätzen Blavatskys.
Viele theosophische Zirkel und New-Age-Gruppen haben gnostische Erlösungskonzepte entwickelt und glauben, authentische Botschaften der göttlichen Autorität oder einer höheren geistigen Hierarchie zu empfangen. Sie sind nicht auf die Gnade Gottes angewiesen, sondern können sich mit spirituellen Ritualen vermeintlich selbst erlösen. Die theosophische Universale Kirche (UK) oder Bruderschaft der Menschheit behauptet etwa, ihr Avatar Peter Leach-Lewis sei der einzige lebende Gesandte der aufgestiegenen Meister. Zu diesen zählt sie Konfuzius, Buddha, Jesus Christus, Franz von Assisi und viele andere Religionsgründer und Weise. Da die Avatare, wie die Repräsentanten und Vermittler genannt werden, der übrigen theosophischen Bewegungen wie der Theosophischen Gesellschaft oder I’Am nicht mehr leben, sind diese Gruppen in den Augen der UK-Anhänger von den heilsbringenden »göttlichen Botschaften« abgeschnitten.
Diese esoterischen Sondergemeinschaften sind überzeugt, sie seien frei von sektiererischen Tendenzen. Ihre mediale Verbindung zur »universellen Weisheit« gibt den Mitgliedern ein Gefühl der Unfehlbarkeit. Diese Selbstüberschätzung verunmöglicht ihnen in der Regel eine kritische Auseinandersetzung mit der Heilslehre, den Gruppennormen und den mystischen Meistern.
Viele Anhänger solcher esoterisch-theosophischer Heilslehren tauchen in eine neue geistige und übersinnliche Welt ein. In ihrem Überschwang richten sie, angeleitet von den Großmeistern und Avataren, ihr Leben oft radikal auf den Guru und seine okkulte Heilslehre aus. Die Trennung zwischen einer minderwertigen Alltagsrealität und einer übergeordneten geistigen Welt führt häufig zur Entfremdung vom bisherigen Leben. Wenn die Sehnsucht nach absoluter Harmonie in die Ausübung mystischer Rituale mündet, führt die Suche nach der »kosmischen Wahrheit« nicht selten zur Flucht vor der Wirklichkeit.
Esoteriker, die ihr Leben einseitig auf übersinnliche Werte ausrichten, müssen mit einer emotionalen Regression rechnen. Statt Gnade und Bescheidenheit, wie sie spirituelle Konzepte verlangen, fördert die mystische Nabelschau oft eine egozentrische und narzisstische Persönlichkeitsentwicklung. Wer in die Welt der Götter eindringen will, überschreitet die Grenzen des menschlichen Bewusstseins. Er wird zum Zauberlehrling, der okkulte Kräfte weckt, die er möglicherweise nicht mehr bannen kann.
In der esoterischen Welt wird die Vernunft oft als Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung betrachtet. Suchende machen die spirituelle Selbstverwirklichung zum zentralen Lebensinhalt. Schließlich ist es ihr erklärtes Ziel, die »grobstoffliche Welt« oder die irdische Gebundenheit mindestens im mystischen Sinn so rasch als möglich zu überwinden. Das Leben auf dieser Erde ist für viele Esoteriker eine Art Prüfung, bei der es gilt, die karmische Belastung abzutragen und das »höhere Bewusstsein« zu erlangen. Diese mystische Katharsis ist eigentlich ein permanenter apokalyptischer Prozess, ein Wechselspiel von Tod und Wiedergeburt, begleitet von der Hoffnung auf die Erleuchtung, die dem Reinkarnationszyklus ein Ende bereiten soll. Esoteriker, die den Pfad zur höheren geistigen Welt im Sinn der theosophischen Lehre oder der Gralsidee beschreiten, stoßen in kritische übersinnliche
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