Im Bann des Maya-Kalenders
nur eine Kampfeinheit, sondern auch einen geheimbündlerischen Kult mit vielen Ritualen. Auf der mittelalterlichen Wewelsburg, der Ordensburg der SS, gebärdete sich Himmler als Magier. In den Riten ließ er die Kreuzritter, Rosenkreuzer und Tempelritter aufleben und die Gralsmystik auferstehen.
Es sei erstaunlich, mit welcher Konsequenz die SS »all jene Gedanken in die grausame Tat umsetzte«, die etwa den okkultistischen Wahnsystemen eines Lanz von Liebenfels entsprungen seien, schreibt René Freund. Bezeichnend ist der Name des SS-Aufzuchtsvereins »Lebensborn«. SS-Männer mussten sich einer strengen Kontrolle unterziehen. Arische Körpermerkmale waren entscheidend für die Aufnahme in die Elitetruppe. SS-Männer waren auserkoren, das arische Erbgut möglichst auf breiter Ebene weiterzutragen und zu »veredeln«.
Doch wie steht es mit dem okkulten Gedankengut bei Hitler? »Das Denken in Jahrmillionen, in Äonen und kosmischen Unendlichkeiten, das Beschwören eines Weltenkampfes, in dem die gute ›andere Kraft‹ das Böse ›wieder zum Luzifer zurückwirft‹ ( Mein Kampf ), die Erlösergestalt und der göttliche Mensch sind Archetypen magisch-esoterischer Denkungsart«, schreibt René Freund in Braune Magie? Er verweist damit zwar auf die okkulten Wurzeln, doch er warnt davor, die mystisch-magischen Einflüsse auf den Nationalsozialismus nach 1933 überzubewerten. Hitler verbot Sebottendorfs Buch Bevor Hitler kam , um Spekulationen darüber, was sein Denken beeinflusst haben könnte, den Boden zu entziehen.
Wie gesehen, haben die okkulten Ideen von den reinrassigen Ariern und der Wahn von der jüdischen Weltverschwörung Wurzeln in der Theosophie und Ariosophie. Der ideologische Einfluss der Okkultisten aus der Thule-Gesellschaft auf den Nationalsozialismus war grundsätzlich gegeben. Der Zweite Weltkrieg war ein einziger apokalyptischer Wahn, der teilweise den Köpfen von Okkultisten und Theosophen entsprang. Es wäre allerdings ein historischer Kurzschluss, den Zweiten Weltkrieg und das Dritte Reich als Sektenphänomen mit Hitler als Kultführer zu interpretieren. Der Wahn der NS-Führung hatte zwar Wurzeln in einer magisch-okkulten Verblendung, doch die Mobilisierung der Massen, der Aufbau des Nationalsozialismus, die Judenvernichtung und letztlich der Weltkrieg sind vor allem »säkulare« Ereignisse mit politischen Dimensionen, die ein Großteil des deutschen Volkes mittrug und in die Tat umsetzte. Es wäre also zu kurz gegriffen, die nationalsozialistische Massensuggestion einzig als sektenhafte Indoktrination zu sehen, auch wenn das NS-Regime Züge einer Sekte zeigte und seine Ideologie mit einer apokalyptischen Heilslehre vergleichbar war.
Radikale Esoteriker wollen die Ariosophie rehabilitieren
Diese Präzisierung ist vor allem in Bezug auf die aktuelle Diskussion über die germanischen Naturreligionen, die Neuheiden, Biozentristen und die esoterisch angehauchte Neue Rechte wichtig. Eine tendenziöse Interpretation der NS-Geschichte erleichtert diesen Kreisen die Verklärung der spiritistischen Wurzeln und Grundanliegen des Dritten Reichs. Sie suchen ständig Argumente, um ihre getarnte Kampagne zur Rehabilitierung der Ariosophie und des Nationalsozialismus zu rechtfertigen. Dabei interpretieren sie politische Fakten nach ihrem faschistischen Gusto um. Verklärt als esoterische Versatzstücke sollen rassistische und völkische Ideen ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung
gebracht werden. Rechtsradikale Autoren haben eine ganze Reihe von Büchern auf den Markt geworfen, die den Nationalsozialismus und ihre Ideologen verklären. In Fachkreisen hat sich der Begriff des »esoterischen Hitlerismus« durchgesetzt. Damit versuchen die neuheidnischen Bewegungen, die Esoterik- und New-Age-Szenen, die sich ebenfalls für mystisch-magische Phänomene interessieren, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Verkauft werden die teilweise verbotenen Machwerke vor allem in Esoterik-Buchläden – oft unter dem Ladentisch.
Dieser Teil der Esoterik-Szene ist überzeugt, dass sich im Umfeld der Thule-Gesellschaft und der NSDAP auch Mitglieder der »Loge der Brüder vom Licht« sowie Tempelritter und Theosophen eingenistet hatten. Nach dieser Meinung hatten die Thule-Gesellschaft und später auch die SS enge Kontakte zu einem tibetischen Schwarzmagier, dessen Markenzeichen grüne Handschuhe waren. Er sei der Schlüssel zur mystischen Himalaja-Stadt Shamballa gewesen. Shamballa gilt in esoterisch-theosophischen
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