Im Bann des Maya-Kalenders
seinem Vers den Tod ihres Gatten prophezeit und lud ihn vor Ehrfurcht an den Hof ein. Der Seher verkehrte nun in adligen Kreisen und wurde weithin bekannt.
Die Nostradamus-Anhänger sind überzeugt, dass der Visionär den Tod Heinrichs II. vorhersah. Sie übersehen aber großzügig, dass der König nicht wie prophezeit im Krieg umgekommen ist und dass der »alte Löwe« nicht von einem jungen besiegt wurde, denn beide Turnierkämpfer waren etwa 40 Jahre alt. Dieses angebliche Paradebeispiel der Prophetie von Nostradamus weist also erhebliche Mängel auf.
Verschiedene seiner Prophezeiungen scheinen sich tatsächlich auf bestimmte geschichtliche Ereignisse zu beziehen. Dazu gehören das Wirken von Hitler, Franco und de Gaulle sowie der Abwurf der Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima. Die Hinweise sind aber so verschlüsselt und unpräzise, dass die Prophezeiungen auch als Zufallstreffer interpretiert werden können.
Wie es sich mit seinen verschlüsselten Versen wirklich verhält, wird das Geheimnis von Nostradamus bleiben. Wer die Frage wagt, ob die Visionen von Nostradamus allenfalls ein Produkt von Halluzinationen, Sinnestäuschungen, Suggestionen, Wahrnehmungsverschiebungen oder Realitätsverlusten sind, wird von Esoterikern und Nostradamus-Kennern als Ketzer oder spiritueller Ignorant eingestuft.
Es scheint, als habe Nostradamus seinen eigenen Prophezeiungen mehr Vorbehalte entgegengebracht als die modernen Esoteriker. So schrieb er: »Man muss auch in Betracht ziehen, dass die Ereignisse letztlich ungewiss sind und dass alles regiert und verwaltet wird von der unbegreiflichen Macht Gottes.« Und er gibt unumwunden zu, dass sich die Vorhersagen nur zum Teil so verwirklichen würden, wie sie angekündigt worden seien. Diese Widersprüchlichkeit geht auch aus dem Vorwort an seinen Sohn Caesar hervor. Einerseits behauptet Nostradamus, er könne sich weder irren noch täuschen, anderseits erklärt er, das
Schlüsselwort zu den Prophezeiungen bleibe in seinem Innern verschlossen.
Beim Ende der Welt bleibt Nostradamus ungenau
Ausgerechnet in der zentralen Frage des Weltendes gibt Nostradamus keine eindeutige Antwort. Vielleicht wollte er sich absichern für den Fall, dass sich die Erde über die Jahrtausendwende hinaus munter weiterdrehen sollte, jedenfalls schaute er mit seinem »medialen Fernrohr« angeblich bis zum Jahr 3797. Möglicherweise markiert die Jahrtausendwende für Nostradamus lediglich eine Teilapokalypse, die einen Neuanfang erlaubt.
Der Prophet nennt in seinen 966 Vierzeilern nur gerade fünf konkrete Jahreszahlen. Dabei stützt er sich unter anderem auf astrologische Daten. Schicksalhafte Ereignisse und Katastrophen spielen sich in seinen Prophezeiungen fast immer während besonderer Konstellationen der Gestirne ab. Trotzdem beruft sich Nostradamus auf die göttliche Eingebung, auf der seine Prophezeiungen beruhen sollen:
»Die Gottheit spricht aus meinem Mund,
Die tut dir hier die Wahrheit kund.
Und dann, wenn dich mein Wort berührt,
So ist es Gott, dem Dank gebührt.«
Nostradamus behauptet, ein göttliches Wesen habe ihm ermöglicht, aus dem Lauf der Sterne zu lernen. Für ihn scheint Gott das Schicksal der Erde und seiner Bewohner von Planetenkonstellationen abhängig gemacht zu haben. Die Orientierung der Prophezeiungen nach astrologischen Kriterien macht es erst recht unmöglich, die vorhergesagten Ereignisse zeitlich einzugrenzen oder gar exakt zu bestimmen. Denn viele Konstellationen, die Nostradamus beschreibt, wiederholen sich mit schöner Regelmäßigkeit
und teilweise in kurzen Zeitabständen. Wenn er beispielsweise eine Katastrophe bei einer Konjunktion von Saturn und Mond im Zeichen des Schützen voraussieht, so kann sich dies in jedem Jahrhundert mehrmals wiederholen. Solche astrologischen Hinweise öffnen ein weites Feld für Spekulationen und Interpretationen.
Die astrologischen Berechnungen von Nostradamus sind auch deshalb fragwürdig, weil die Astronomen zu seinen Lebzeiten die äußeren Planeten noch gar nicht entdeckt hatten. Im Mittelalter musste die Astrologie, von Nostradamus als »selbstständige Naturwissenschaft« bezeichnet, ohne Uranus, Neptun und den Kuipergürtel mit dem Kleinstplaneten Pluto neben anderen auskommen. Deren »Kraftfelder« fanden also keinen Niederschlag in den Berechnungen des Propheten. Somit wackelt das ganze Fundament seiner Prophezeiungen erst recht.
Fragwürdig ist auch die Art, wie seine Anhänger die Bilder und Symbole in seinen
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