Im Bann des Maya-Kalenders
Triebe, Laster, Süchte und Leidenschaften liegen.«
1998 spitzten sich die Endzeiterwartungen dramatisch zu. Die Vorhersagen von Jesus wurden immer präziser und unheimlicher. Mitte 1998 sollten gigantische Katastrophen über Europa hereinbrechen, übermittelte Jesus angeblich an Uriella. Ein Meteorit, der in die Nordsee fallen würde, löse eine Flutwelle von 200 bis 300 Meter Höhe aus. Dadurch werde Nord- und Westdeutschland überschwemmt. Weiter würden durch den Einschlag Tausende Vulkane »in Aufruhr gebracht«. Eine Wirtschaftskrise tue das Übrige: »Der Börsencrash steht im Schlüsselloch.«
Uriella prophezeite außerdem den Einschlag eines Planetoiden, der ganze Erdteile zum Verschwinden bringen und die üblichen apokalyptischen Naturkatastrophen, Seuchen und Epidemien verursachen werde. Am 9. August 1998 werde der dritte Weltkrieg ausbrechen. Uriellas Botschaften enthielten auch Drohungen an die eigenen Anhänger. Gerettet werde nur, wer sich voll für die Sache Gottes und Fiat Lux einsetze. Dabei schien es sich um eine Disziplinierungsmaßnahme zu handeln. Angehörige von Fiat Lux-Anhängern berichteten, die Gläubigen hätten begonnen, ihre Habseligkeiten zu verkaufen und sich auf den Umzug ins Sektenzentrum vorzubereiten. Auf die Frage, ob sie einen Massensuizid planten, schlugen Uriella und Icordo die Hände über dem Kopf zusammen. Nein, dies würde ihnen Jesus bestimmt nicht auftragen, meinten sie.
Als die prophezeiten Endzeitszenarien nicht eintraten, erwarteten viele Beobachter ein Eingeständnis des Mediums. Doch Uriella wartete mit einer neuen Botschaft auf. Sie habe intensiv zu Gott gebetet und ihn überredet, die Apokalypse zu verschieben, damit Fiat Lux Zeit bekomme, weitere Seelen zu retten.
Danach brachen für Uriella und Icordo schwere Zeiten an. Ihre Glaubwürdigkeit litt nicht nur in der Öffentlichkeit. Neue Mitglieder fanden sie kaum, etliche lösten sich vom Orden. Dies machten auch die Durchsagen deutlich. Eine »Kurzbotschaft von Jesus Christus vom 20. März 2009 an Uriella« klingt gar nach Meuterei: »Für Gottvater und mich ist es zutiefst erschütternd, dass 90 Prozent aller Ordensträger sich weigern, einen Auftrag ordnungsgemäß auszuführen.«
Besonders schwer sollen sich jene versündigen, die für Uriella arbeiten würden, heißt es weiter. Es sei der gleiche Ungehorsam, »der in der Ewigkeit zum Engelssturz führte«. Das Sündenregister, das Jesus angeblich aufzählt, ist lang: sture Auflehnung, Besserwisserei, Gleichgültigkeit, Geltungssucht, Eigenwillen, Hochmut und Stolz.
Ausweisung aus dem Paradies
Eine weitere Botschaft von Jesus befasste sich mit dem Gesundheitszustand des Sprachrohrs Gottes: »Ihr Leben steht auf des Messers Schneide.« Sie wird als »Eure, sich seit Jahrzehnten für Euch verzehrende und ergebenst dienende Ordensmutter« bezeichnet. Diese Nutznießer könnten von Gott »in den letzten Atemzügen des jetzigen Äons« ohnehin nicht gebraucht werden.
Von 2006 bis 2011 lebte Uriella zurückgezogen auf einem Bauernhof im Südschwarzwald. Nicht einmal ihre Anhänger bekamen sie zu Gesicht. Früher war sie regelmäßiger Gast in allen größeren Talkshows der deutschen, österreichischen und Schweizer Fernsehsender gewesen. Sie behauptete von Monat
zu Monat, bald wieder öffentlich aufzutreten. Bei einer Gesundheitssendung im Schweizer Fernsehen hatte ihr ein Arzt eine Krebsdiagnose gestellt. Als nie mehr ein Lebenszeichen von ihr nach außen drang, spekulierten die Medien über ihren allfälligen Tod. Icordo dementierte stets heftig und behauptete, seine Frau lebe selbstverständlich und werde sich bald wieder in den Medien zeigen. Die Wirren führten dazu, dass zahlreiche Anhänger den Ausstieg schafften.
Aussteiger berichteten Ende 2011, das 82-jährige Sprachrohr Gottes könne nicht mehr gehen und müsse herumgetragen werden. Außerdem soll es wegen eines Tumors im Kieferbereich operiert worden sein. Die Endzeitbotschaften von Jesus werden seit Längerem als Band verbreitet.
20. Zeugen Jehovas: Geistgesalbte und die »anderen Schafe« im Königreichsaal
Die 85-jährige Berta S. quält sich keuchend die Treppe hinauf, begleitet von ihrer zehnjährigen Urenkelin Petra. Ein anstrengender Predigerdienst für die betagte Frau in diesem Stadtquartier mit den mehrstöckigen alten Häusern. Als Geistgesalbte der Wachtturm-Gesellschaft (WTG) mag sich die Zeugin Jehovas nicht über die Strapazen beklagen. Schließlich lebt sie in der Gewissheit,
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