Im Bann des Maya-Kalenders
würden. Das »Sprachrohr Gottes« behauptet, göttliche Signale würden ihm verraten, welche Anhänger am besten zueinander passen und die Verbindung der Ehe eingehen sollen.
Das Fasten gehört zum religiösen Ritual. Besonders eifrige Mitglieder bringen es bis auf 100 Tage pro Jahr. Die Hauptnahrung besteht aus Rohkost. Fisch und Fleisch sind tabu, Nikotin, Kaffee, Alkohol und Tee werden gemieden, um den Körper, den Tempel Gottes, nicht zu vergiften. Außerdem sind Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen verpönt. In den Ordensregeln, die die Mitglieder unterschreiben müssen, heißt es: »Verzicht auf weltliche Lektüre und Vergnügungen jeglicher Art wie Fernsehen, Radiohören etc.«. Eine weitere Richtlinie: »Ein wahrer Fiat-Lux-Träger hält sich von jeglichen Lastern, Trieben, Süchten und Leidenschaften fern.« Außerdem müssen sich die Anhänger »gegen
jegliche Trennung und Absplitterung innerhalb der Ordensfamilie« wehren.
Viele Kranke suchten die ehemalige Sekretärin in der Hoffnung auf, Uriella könne sie sogar von »unheilbaren« Krankheiten befreien. Die Kultgründerin behauptete, Gott stelle durch sie die Diagnose. Das Medium zelebrierte ein Befreiungsritual und verschrieb Naturheilmittel, die aus der »Apotheke Gottes« stammen. Der Katalog enthielt früher mehrere hundert »Heilmittel« gegen jede erdenkliche Krankheit, auch gegen Aids. Viele Anhänger gaben ein halbes Vermögen für die Wässerchen, Tabletten und Ampullen aus. Auch Ferndiagnosen und Fernheilungen gehörten zu ihrem Repertoire. Das »Sprachrohr Gottes« war deshalb immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Tatsächlich ist die Geschichte von Fiat Lux auch eine Geschichte von Strafanzeigen, Klagen, Hausdurchsuchungen und Prozessen. Dabei ging es nicht um religiöse Fragen, sondern um die Geistheilungen und die »Apotheke Gottes«.
Anfang der 1980er-Jahre vertrieb Uriella Zehntausende von sogenannten Äetherampullen, die sie unter anderem als Medikament gegen Krankheiten wie Multiple Sklerose, Drogensucht und Depression verordnete. Analysen beschlagnahmter Mittel zeigten, dass diese teilweise eine gewöhnliche Kochsalzlösung enthielten. Uriella verteidigte sich mit dem Argument, sie habe die Lösungen mit Hilfe der göttlichen Kraft molekulargenetisch aufgeladen.
Nach der Expansion in den süddeutschen Raum bahnten sich bald Konflikte mit den deutschen Behörden an. Anfang der 90er-Jahre verbot ihr das Landratsamt Waldshut, sich als Heilpraktikerin auszugeben. Uriella sei »eine Gefahr für die Volksgesundheit«. Die Behörden stützten sich dabei unter anderem auf den Fall einer damals 68-jährigen Schweizerin, der von einem Sektenmitglied eingeredet worden war, sie leide wahrscheinlich unter einem Zwölffingerdarm-Krebs. Die »Patientin« schickte Uriella ein Foto, damit die Geistheilerin eine Ferndiagnose stellen könne.
Als Antwort bekam die Frau von Uriella ein ganzes Arsenal von Heilmitteln. Doch die Bauchschmerzen wurden immer stärker. Die Tochter traute der Sache nicht und setzte sich mit Uriella in Verbindung. Sie leide unter Nierenkrebs im Endstadium, lautete die neue, überraschende Ferndiagnose. Doch keine Angst, meinte das Sprachrohr Gottes, sie werde ihre Mutter schon heilen. Als die »Patientin« völlig abgemagert und entkräftet war, packte die Tochter der Zorn. Sie warf die ganzen Heilmittel in den Abfall. Bald darauf kehrte der Appetit ihrer Mutter zurück und sie erholte sich rasch. Ein Arzt kam bei einer späteren Untersuchung zum Befund, die Frau habe nie unter Krebs gelitten.
Als sich die abenteuerlichen Geschichten über die »Wunderheilungen« von Uriella häuften, führten die Behörden eine Razzia durch. Im Januar 1992 durchsuchten 50 Polizisten zwölf Häuser der Sekte, im Februar 1993 ließ die Staatsanwaltschaft Waldshut über 200 Wohnungen der Mitglieder überprüfen. Im März 1994 verurteilte das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden Uriella zu einer Buße von 15.000 Franken, weil sie wiederholt gegen das Gesundheitsgesetz verstoßen hatte. Außerdem musste sie 50.000 Franken abliefern, die als unrechtmäßige Gewinne eingestuft worden waren. Das Gericht sah aber von einem Praxisverbot ab.
Im Mai 1996 stand Uriella in Waldshut vor dem Landgericht. Die Anklage warf der Geistheilerin vor, sie sei mitverantwortlich für den Tod von mindestens zwei ihrer Anhängerinnen. Anfang 1988 war eine hochschwangere 24-jährige deutsche Literaturwissenschaftlerin an einer
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