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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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Nein, er wollte nur ein Heim, einen Ort, wo er mit den anderen zusammen war.
    Der einzige Grund, aus dem ich dem kleinen Mistkerl keine Absage erteilen konnte, was dieser bestimmt auch gewusst hat
, dachte Ian ärgerlich, während er die Krawatte zurechtrückte, die Talent gerade gebunden hatte. Das brachte ihm einen weiteren empörten Blick ein. Ein unbedeutender kleiner Sieg in dem Krieg, der um Ians Garderobe geführt wurde. Das Lächerliche daran war, dass die Gesellschaft meinte, Ian wäre immer schick gekleidet, wo es doch in Wirklichkeit Talents wahnsinnig hoher Anspruch war, der Ian immer wie aus dem Ei gepellt aussehen ließ und zu einem Mann machte, der in Sachen Mode den Ton angab.
    »Ich glaube, Sie sind unter Druck, weil Sie zu Lena gehen«, meinte Talent, als Ian einen schimmernden Holzpflock aus dem Schrank holte. »Sie wird wohl eher Ihre Leber zum Abendbrot verspeisen, als Ihnen helfen.«
    Ian befühlte die Spitze des Pflocks mit dem Daumen. Nicht spitz genug. Er holte einen Schleifklotz hervor. »Du meinst also, ich bin nicht in der Lage, mich zu verteidigen?« Eine lächerliche Vorstellung.
    Ausnahmsweise einmal schien Talent fassungslos. »Natürlich nicht. Nur, dass sie, nun ja, unmenschlich ist.« Schaudernd bekreuzigte Talent sich. Talents Gottesfürchtigkeit neigte dazu, immer dann zum Vorschein zu kommen, wenn er eine Standpauke halten wollte und ihm dabei völlig entging, dass ihm dies vielleicht schaden könnte.
    Ian lachte. »Du, mein junger Freund, bist wirklich der sprichwörtliche Esel, der den anderen Langohr schimpft.« Er ignorierte Talents finstere Miene und pustete über die Spitze des Pflocks, sodass goldener Holzstaub durch die Luft flog. »In den Augen der Menschen sind wir alle unmenschlich, und sie würden dich bestimmt bei lebendigem Leib häuten, wenn sie wüssten, was du bist.«
    »Dafür müssten sie mich aber erst einmal zu fassen bekommen«, brummte Talent, während Ian den Pflock in seinen Stiefel schob. »Ich möchte ja nur, dass Sie aufpassen, ja?«
    Es verwirrte Ian, dass es immer noch Leute gab, denen er so viel bedeutete, dass sie meinten, ihn vor irgendwelchen Gefahren warnen zu müssen. Das war auch der Grund, warum er seinen Angestellten erlaubte, ihn mit unangemessener Vertraulichkeit zu behandeln; sie waren alles, was er hatte. Ehe Ian sich von Talent und dessen Sorge um ihn entfernte, warf er ihm noch einen strengen Blick zu. »Pass auf sie auf.«
    Ian war Daisy fast den ganzen Tag auf den Fersen geblieben und ihr zu solch unverfänglichen Adressen wie Florin oder ihrer Hutmacherin gefolgt. Ohne dass sie es bemerkt hatte. Er hatte seine Lektion gelernt und war immer in Gegenrichtung zum Wind geblieben. Ian hatte dabei mehr als einmal beobachtet, wie sie über die Schulter nach hinten geschaut hatte. Ein Lächeln zuckte um seine Lippen. War sie vielleicht doch auf seine Gesellschaft erpicht?
    Er war erst nach Hause gegangen, um sich etwas anderes anzuziehen, als sein Stallbursche, Seamus, eingetroffen war, um die Wache zu übernehmen. Seamus war zwar ein starker, tüchtiger Lykaner, doch Ian zog bei derlei Aufgaben Talents Geschicklichkeit vor.
    »Lass sie keinen Moment lang aus den Augen. Das Mädchen kann so viel protestieren, wie es will, aber heute Abend kommt sie mit mir nach Hause.« Erst würde er die Sache mit Lena erledigen und dann die eigensinnige Mrs Craigmore einsammeln.
    »Sie wird mich noch nicht einmal dabei sehen«, versprach Talent.
    Ian glaubte ihm das. Talent besaß die Fähigkeit, sich direkt vor der Nase von jemandem aufzuhalten, ohne dass derjenige es mitbekam.
    »Dann sind Sie also entschlossen, das Mädchen herzubringen?« Schwungvoll legte Talent Zylinder und Handschuhe vor Ian, hütete sich aber davor, ihm die Kopfbedeckung aufzusetzen. »Ich hab ja noch nie erlebt, dass Sie ein Mädchen bitten mussten, bei Ihnen zu wohnen. Das kann ich wohl mit Fug und Recht behaupten. Normalerweise ist es doch nur die Frage, ob die Tür es beim Zuschlagen noch am Hintern trifft oder ob es das Mädchen schafft, beim Rausgehen schneller zu sein.«
    »Eine Dame«, korrigierte Ian mit einem Anflug von Verärgerung, während er die Handschuhe anzog. Das weiche Leder kratzte über seine zuckende Haut. Verdammt, er dachte schon wieder an sie. Nahm sie gerade Tee zu sich? Zog sie sich gerade um? Er räusperte sich. »Man kann eine Frau wie sie nicht als Mädchen bezeichnen.« Nicht mit dieser Figur. »Und sie wird nicht hier wohnen. Es geht nur um ihren

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