Im Bann des Mondes
ihn doch nur an … Sein Gesicht … Oh Gott!« Sie streichelte ihn wieder, und er reckte sich der Berührung entgegen, was ihn wie einen Jungen wimmern ließ. Das Streicheln hörte auf. »Er wird sterben, nicht wahr?« Ein Schluchzen.
Er mochte den Klang dieses Schluchzers. Was war er doch für ein Mistkerl. Sie bedauerte ihn.
»Seien Sie nicht so theatralisch«, sagte Talent. »Das passt nicht zu Ihnen. Er ist ein Lykaner. Eine Tracht Prügel wird ihn nicht umbringen. Es tut nur höllisch weh.«
Ja, als wenn er das nicht wissen würde. Nur Luft zu holen löste schon einen Feuersturm in ihm aus. Ian konzentrierte sich auf Daisys Duft, um dem Schmerz zu entgehen. Sie verströmte jetzt einen kräftigen Geruch, der ihn umhüllte. Der Duft von Daisy und Frau. Trotz der Schmerzen lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Er merkte, dass sein Kopf auf ihrem Schoß lag. Was würde er dafür geben, genau dort zu sein, wenn er wieder ganz gesund war. Er versuchte, die Augen zu öffnen. Es klappte nicht.
»Eine Tracht Prügel? Man hat ihn in Stücke gerissen!« Sanfte Finger strichen über sein Haar, sodass er beinahe geschluchzt hätte. Diese Berührung fühlte sich so gut an.
»Aber darum ging es doch, nicht wahr? Zumindest haben sie ihm keine Gliedmaßen genommen«, bemerkte Talent mit dem für ihn typischen Pragmatismus. »Hören Sie auf, sich Sorgen zu machen. Wir haben ihn schön fest in das Tuch gewickelt. Auf die Weise verliert er keine Fleischstücke.«
Die Hand in seinem Haar packte fester zu. Er ächzte, und der Griff lockerte sich sofort. Dass ihr Tonfall locker gewesen wäre, konnte man allerdings nicht behaupten. »Sie sind ja krank!«, fuhr Daisy Talent an. »Ihr seid alle krank.«
Talent stieß einen müden Seufzer aus. »Es ist wie es ist. Mein Herr wusste, auf was er sich einließ, und hat es akzeptiert. Warum können Sie das nicht auch?«
»Folter akzeptieren, ohne mit der Wimper zu zucken?« In ihrem Lachen schwang ein Hauch von Hysterie mit. »Wie konnte er das mit sich machen lassen?«
»Was für eine Frage«, erwiderte Talent. »Sie waren doch eine reife Pflaume, als Lyall Sie in den Fingern hatte. Glauben Sie wirklich, dass Seine Lordschaft Sie so einem Schicksal überlassen hätte? Ich kann nur dem Himmel danken, dass Sie genug Verstand hatten, ruhig zu bleiben.«
»Sie waren da?« Daisys Stimme bekam einen schrillen Klang, und wieder legte sich ihre Hand zu fest um Northrups Haar, ehe sie sie schnell wieder löste und mit Fingern so zart wie Schmetterlingsflügel darüber strich. »Und Sie haben nichts getan, um ihn zu retten?«
»Sind Sie wahnsinnig? Glauben Sie wirklich, ich würde mich über Seine Lordschaft hinwegsetzen und mir anmaßen, ihn zu retten? Meinen Sie wirklich, er würde so eine Demütigung hinnehmen? Verrücktes, dummes Weib …«
»Nicht schlimmer als ein unverschämter, eitler … Kammerdiener! Wenn Sie denn überhaupt wirklich einer sind. Kein Kammerdiener, den ich kenne, führt sich in so einer empörenden Weise auf wie Sie.«
»Und ich kenne keine Dame, die sich in solche Schwierigkeiten bringt wie Sie!«
Gleich würden sie ihn zur Seite schubsen, um sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Und dabei gefiel Ian doch das weiche Kissen so sehr, das Daisys Schenkel bildeten.
»Hört … auf.« Seine Stimme war nur ein leises Krächzen, aber trotzdem hörten sie ihn.
»Oh!« Hände flatterten um seinen Kopf. »Northrup? Nicht bewegen! Wir sind bald zu Hause und …« Sie berührte sein Ohrläppchen. Seine Wunden brannten, aber er konzentrierte sich ganz auf die warme, weiche Fingerspitze, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. »Wir bringen dich wieder in Ordnung.« Sie klang nicht sonderlich überzeugt, aber sie begann wieder, sein Haar zu streicheln.
»Komme in Ordnung«, murmelte er. Es war nicht ratsam zu reden. Sein Gesicht bewegte sich dabei zu sehr. Weiße Punkte blitzten hinter seinen Lidern auf, und Übelkeit rumorte in seinen Innereien. Als sie das Streicheln stoppte, gab er sich noch einmal einen Ruck. »Hör nur nicht auf.«
Ihr Duft strömte über sein Gesicht, als sie sich über ihn beugte. »Aufhören womit?«
Plötzlich brannte jeder Schnitt und jede Wunde, als wäre sie gerade aufgerissen worden, und die Höllenqual ließ ihn innerlich wimmern. Sein Mund zitterte. Himmel, er wollte schreien. Messerscharfe Finger des Schmerzes gruben sich in ihn und schabten an seinen Knochen. Er musste an einen Ort, wo der Schmerz ihn nicht mehr erreichte. In die
Weitere Kostenlose Bücher