Im Bann des Mondes
einmal einen Vorwurf daraus, dass du so denkst. Du bist so ziemlich die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Warum sollte Northrup eine andere wollen?«
Daisy gab sich hinsichtlich ihrer eigenen Reize keinen Illusionen hin. Sie war hübsch, sehr hübsch sogar. Doch ihr Aussehen hatte etwas Gewöhnliches, Unfeines, wie ihr Ehemann nie versäumt hatte, ihr immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Sie hatte nie einer Menschenseele erzählt, dass sie belauscht hatte, wie Craigmore um Miranda angehalten und sich dann mit ihr hatte begnügen müssen, weil ihr Vater sich nicht von seiner Lieblingstochter hatte trennen wollen.
Ich wollte die Schöne und wurde mit der Schankdame abgespeist, die für nichts anderes gut ist, als herumgereicht zu werden
. Warum sollte Northrup da anders denken?
»Daisy«, mahnte Miranda leise, »sag das nicht. Ich traue ihm einfach nicht. Das habe ich nie. Er hat alles getan, um einen Keil zwischen Archer und mich zu treiben.«
»Ich kann nichts über Northrups Verhalten in Bezug auf dich und Archer sagen.« Daisy griff nach Sonnenschirm und Handschuhen. Sie musste weg. Der Garten war zu klein, so verdammt zugewachsen dank ihr. »Aber ich weiß eins: Der Mann, dem du nicht traust, hat mir mehrfach das Leben gerettet … und dadurch gelitten. Wollen wir ihm zumindest das zugutehalten?«
Miranda schob die Lippen vor, nickte aber steif.
Daisy holte tief Luft und stand auf. »Er ist mir ein Freund gewesen.« Das Wort ›Freund‹ hörte sich in ihren Ohren falsch an, trotzdem log sie weiter. »Ich bin nicht dabei, mich zu verlieben. Ich mag manchmal falsch handeln, aber ich bin kein Dummkopf.« Eine Lüge, denn sie wusste, dass sie ein ganz großer Dummkopf war.
»Na gut«, sagte Ian, als er sich nicht länger zurückhalten konnte. »Wo ist sie?«
Es ärgerte ihn, dass er Talent fragen musste. Und dass er allein in seinem Bett wach geworden war. Er hatte Pläne gehabt. Pläne, die vorsahen, in einer weichen, warmen Frau zu versinken, die mit einer spitzen Zunge gesegnet war. Nachdem er spät in der Nacht zu ihr ins Bett zurückgekehrt war, hatte ihn nur dieser eine Gedanke beherrscht, wobei er davon ausgegangen war, dass sie schließlich darauf eingehen würde. Aber wie so oft kam es anders, als geglaubt.
Talent warf Ian einen schiefen Blick zu, während er ihm in seinen Morgenmantel half. Trotz des wachsenden Wahns für dieses sackartige Gewand gefiel beiden Männern der Schnitt nicht. Dem formlosen Kleidungsstück haftete so gar nichts Elegantes an. Zumindest in dieser Hinsicht waren sie sich einig. Doch in anderen Bereichen …
»Sie hat Tuttle völlig umgarnt«, erklärte Talent kurz angebunden. »Sie sind bei Tagesanbruch losgefahren. Wohin kann ich nicht sagen.«
Und interessiert mich auch nicht
. Der letzte Gedanke war ihm deutlich von seinem ausdrucksvollen Gesicht abzulesen.
Ian drehte den Kopf zur Seite. »Mit Tuttle?« Zwei Frauen, allein unterwegs, während eine Bestie frei herumlief. Sein Körper straffte sich, und er wollte schon los, um dem verdammten Frauenzimmer hinterherzujagen. Vielleicht würde er Daisy sogar übers Knie legen. Die Vorstellung war in mehr als einer Hinsicht reizvoll. Die Frau hatte den köstlichsten runden Hintern …
»Immer langsam mit den jungen Pferden.« Talent zupfte den Mantel an den Schultern zurecht. »Sie haben Seamus mitgenommen.«
Ian stieß ein unzufriedenes Brummen aus. Seamus war ein starker Junge, ein richtiger Schrank. Der fast zwei Meter große, muskulöse und schnelle lykanische Stallmeister war wirklich ein guter Schutz, vielleicht sogar ein besserer als Talent. Bei Ian ließ die Anspannung ein wenig nach. Bei Seamus würden die Frauen sicher sein.
Doch sein Unmut blieb, während Talent viel Aufhebens um seine Krawatte machte. Ians Haut juckte, und er hatte das Gefühl, dass sie viel zu straff über seinen Körper gespannt war. Das ließ sich nicht gänzlich dem Heilungsprozess zuschreiben. Daisy befand sich außer Sichtweite und …
Das gefiel ihm nicht.
»Haben sie gesagt, wann sie zurück sind?«
Bei diesen Worten verzogen sich Talents offene Gesichtszüge zu einer angeekelten Miene. »Wir stehen wohl schon unterm Pantoffel, was?«
Unwillkürlich musste Ian grinsen. Was wusste ein Junge schon von so etwas? Nur ein Junge würde freudige Erwartung als Falle sehen. Obwohl sein Körper immer noch an mehreren Stellen ziepte und zupfte, erfüllte ihn eine gewisse Leichtigkeit. Also war sie am Morgen nicht da gewesen. Na wenn
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