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Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)

Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)

Titel: Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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Schattenmustern. Ihre Haare waren aus Strähnen in unzähligen Farben zusammengesetzt und standen wild von den Köpfen ab. Ob die Wesen männlich oder weiblich waren, konnte Sonja nicht erkennen, und bis auf die unterschiedlichen Muster auf ihren Kleidern sahen sie alle gleich aus. Aber sie wirkten freundlich und furchtlos; auf vielen Gesichtern sah Sonja ein Lächeln.
    Sie fasste neuen Mut. »Hallo«, sagte sie zaghaft. »Ich heiße Sonja. Ich wollte euch nicht stören, aber ich habe solchen Hunger … könnte ich vielleicht bitte irgendwas zu essen haben?«
    Einige der Wesen nickten eifrig. »Hunger ist nicht gut«, sagte einer. »Hunger macht traurig«, ergänzte ein anderer. »Hunger macht schwach. Willst du mit uns tanzen?«
    »Danke – aber ich möchte eigentlich bitte nur etwas essen.«
    »Komm mit!«, rief einer. »Wir haben genug zu essen für alle! Lasst uns alle etwas essen!«
    Sonja war so erleichtert, dass ihre Knie weich wurden. Sie hätte nicht gewusst, wohin sie sonst noch hätte gehen können. Die Wesen liefen zurück zur Tanzfläche und nahmen sie mit. Sie zogen nicht und schoben nicht, nahmen sie einfach nur mit wie ein Blatt, das ins Wasser fällt und vom Strom mitgenommen wird. Offenbar war es für sie das Selbstverständlichste der Welt, wildfremde Menschenkinder zu versorgen. Ein wenig unheimlich wurde es ihr zumute, als sie sie mitten durch das Licht führten, aber nichts passierte – es war einfach nur Licht. Auf der anderen Seite war ein Tisch aufgebaut, auf dem sich große Brotlaibe zwischen Schüsseln voller Beeren und Früchten türmten. Es d uftete herrlich. Jetzt wurde es Sonja wirklich schwummrig. Die Wesen rissen Stücke von den Brotlaiben ab und griffen mit den Händen in die Schüsseln. »Iss, iss!«, ermunterten sie Sonja. »Du bist viel zu dünn!«
    Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie brach ein Stück Brot ab und biss hinein, und es war das Beste, was sie in ihrem ganzen Leben gegessen hatte. Um sie herum schmatzten und aßen die seltsamen Wesen mit ebensolchem Heißhunger wie sie. Immer wieder begegnete sie neugierigen und fröhlichen Blicken.
    Aber schon nach sechs oder sieben Bissen konnte sie nicht mehr. Sie hatte zu lange gehungert, ihr Magen weigerte sich, jetzt plötzlich so viel aufzunehmen. Sie aß noch ein paar rote Beeren, die wie Pfirsiche schmeckten, trank aus einem Krug klares Wasser und war so satt, dass sie sich kaum mehr rühren konnte. »Danke schön!«, sagte sie in die Runde, und die Wesen nickten eifrig und schienen sich zu freuen. »Wer seid ihr eigentlich? Was tut ihr hier?«
    »Wir sind Kobolde«, sagte einer fröhlich. »Wir tanzen hier jede Nacht.«
    »Warum?«
    »Warum nicht?« Sie lachten.
    »Und was macht ihr tagsüber?«
    »Schlafen natürlich! Tanzen macht müde!«
    »Und ihr macht nichts anderes?«
    »Das ist doch genug! Tanz mit uns!«
    Eigentlich war ihr nicht nach Tanzen zumute. Aber vielleicht lag es am Brot, vielleicht auch an der Fröhlichkeit der Kobolde, dass sie sich plötzlich wieder vorstellen konnte, für eine kurze Zeit den Schrecken zu vergessen. »Ich kann aber nicht tanzen.«
    »Doch, doch! Jeder kann tanzen! Und singen! Tanzen und s ingen macht fröhlich! Komm, tanz mit uns! Sei eine von uns! Vergiss dich selbst!« Schon spielten die Musikanten erneut los, die Kobolde rannten zurück und hüpften wieder herum. So schwer sah es nicht aus.
    Vergiss dich selbst …
    Ja, das wollte sie gerne – nicht mehr nachdenken. Vielleicht konnte das Tanzen ihr wirklich dabei helfen.
    Sie machte einen Schritt auf die Tanzfläche zu, aber einer der Kobolde war bei ihr geblieben und zupfte sie am Arm. »Ja?«
    »Du musst das da ablegen«, quäkte der Kobold und zeigte auf ihre Brust.
    »Meinen Pullover?«, fragte Sonja entgeistert.
    »Das Amulett! Sonst kannst du nicht tanzen und dich selbst vergessen!«
    Das klang logisch. Solange sie das Amulett trug, würde sie sich bei jeder Bewegung erinnern, dass Lorin sich ihm opfern sollte. Und sie wollte nichts lieber, als es abzulegen und zu vergessen. Da außer ihr ja sowieso niemand es anfassen konnte, würde es auch niemand klauen.
    Ganz kurz, wie aus weiter Ferne, glaubte sie Schreie und ein Wiehern zu hören, wie den Ruf eines Einhorns, aber sie achtete nicht darauf, und das Geräusch ging in der Musik unter. Sie zog das Amulett an seiner Kette über den Kopf und legte es ins Gras, und dann folgte sie dem Kobold in die tanzende Menge.
    Es war tatsächlich ganz einfach. Ihr Körper bewegte

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