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Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)

Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)

Titel: Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
Autoren: Astrid Vollenbruch
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er sich um. Pferde machte man doch bestimmt mit irgendetwas sauber? Da, ein Wasserhahn an der Stallwand! Und ein aufgerollter Wasserschlauch – genau das, was er brauchte! Er rannte dorthin, drehte den Wasserhahn weit auf und rollte den Schlauch ab, während er am Stall entlanglief. Jetzt konnte er den Ursprung des Feuers sehen: ein Metallfass, das dicht an das Gebäude herangezerrt worden war und aus dem Flammen loderten. Dicker schwarzer Qualm wälzte sich die Mauer hinauf und zog durch die offenen Fenster in den Stall. Philipp stutzte, aber er kam nicht dazu, nachzudenken. In der Sekunde, als er merkte, dass aus dem Schlauch kein Tropfen Wasser kam, erschien oben auf dem Dach des Stalles ein riesiger schwarzgrauer, gefiederter Schatten, breitete die Flügel aus und stürzte sich auf ihn.
    Philipp ließ den Schlauch los und riss die Hände hoch, um sich gegen den Schnabel und die Krallen zu schützen. Das stinkende Vogelwesen landete mit seinem ganzen Gewicht auf ihm, und der Aufprall riss sie beide zu Boden.
    Doch diesmal war Philipp besser vorbereitet. Der erste Angriff dieser Kreaturen – war es wirklich erst am vergangenen Abend gewesen? – hatte ihn völlig überrascht, aber diesmal hatte er das Biest ja schon gesehen und halb damit gerechnet, dass es sich noch in der Nähe herumtrieb. Er zog die Beine an den Bauch, um die Krallen abzuwehren, schützte mit dem linken Arm Gesicht und Hals und versuchte, den Schnabel des Vogels zu packen. Das war nicht so einfach. Das Wesen war zwar leichter als ein Mensch, aber viel beweglicher, und die wild schlagenden Flügel ver l iehen ihm zusätzliche Kraft. Außerdem stank es wie die Pest, zischte und fauchte wie ein wütender Schwan und stieß mit dem Schnabel immer wieder blitzartig zu. Kleine rote Augen starrten Philipp an; nicht eine Spur von Intelligenz oder Bewusstsein war darin zu entdecken. Es waren die Augen eines Jägers über seiner Beute.
    Aber Philipp war keine Beute. Er war schlank und wendig und hatte zu viele Ringkämpfe und Schlägereien hinter sich, um jetzt so einfach bezwungen zu werden. Auf dem Rücken liegend, bekam er den Schnabel zu fassen. Das Monster riss den Kopf zurück, aber Philipp hielt den Schnabel fest umklammert. Es flatterte wie wild, versuchte sich loszureißen und harkte ihm die scharfen Krallen quer über die Brust. Ein brennender Schmerz schoss durch seinen Körper; er biss die Zähne zusammen und hielt das Wesen fest. Und mit der anderen Hand packte er den dürren, faltigen Hals.
    Augenblicklich hörte der Vogel auf zu kämpfen. Die Flügel sanken herab, der sackartige Körper erschlaffte. Starr blickten die roten Augen ihn an – ohne Furcht, aber voller Wut.
    »Philipp!«, schrie Ben von drinnen, und erst jetzt kam ihm zu Bewusstsein, dass die Flammen aus dem Fass gerade dabei waren, auf das Dach des Stalles überzugreifen. Er musste das Fass schleunigst von dem Gebäude wegschaffen – aber dafür musste er das Monster loslassen.
    Es gab Dinge, die Philipp Berger ohne Bedauern und ohne Gewissensbisse tat. Das Frisieren seines Mopeds gehörte zum Beispiel dazu. Oder die Tracht Prügel, die er jedem Halunken verpasste, der seine Schwestern oder seinen kleinen Bruder belästigte.
    Das Töten hilfloser Gegner gehörte nicht dazu.
    Er rollte sich zur Seite, setzte sich auf und stand einiger m aßen mühsam auf. Dann – bevor er es sich anders überlegen konnte – schleuderte er das Vogelwesen so weit von sich weg, wie er konnte. Wie ein nasser Sack flog es in den Schnee, überschlug sich ein paarmal und blieb benommen liegen. Philipp rannte zur Vorderseite des Stalles, löste den Wasserschlauch von seiner Halterung und hastete zurück zu dem brennenden Fass. Ohne zu zögern, warf er den Schlauch wie eine Schlinge um das Fass, wich mit beiden Enden mehrere Meter zurück und zog mit aller Kraft. Das Fass schaukelte, schwankte – und kippte um. Ein Bündel brennender Federn rutschte heraus und landete im Schnee, wo es weiterbrannte, aber keinen Schaden mehr anrichten konnte. Philipp warf einen Blick zum Dach. Dort züngelten einzelne Flammen, aber sie erloschen, noch während er hinschaute. Keine Gefahr mehr für den Stall.
    Er holte tief und keuchend Luft und zuckte unter dem Schmerz zusammen. Er schaute an sich herunter. Der Pullover war völlig zerfetzt, die Reste blutgetränkt. Er blickte zu dem Vogelmonster hin – aber es war weg. Wo es gelegen hatte, waren nur noch ein paar dunkle Flecken im Schnee. Wahrscheinlich Federn.
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