Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
anzuschauen. »Das Amulett hat sich einen neuen Träger gesucht.«
Eine Pause entstand, während Philipp diesen Gedanken zu verdauen versuchte. Die Schmerzen machten es ihm schwer, klar zu denken. Ben beugte sich vor und verstaute das Verbandszeug in einer kleinen Kiste. Philipp betrachtete seinen Rücken in dem schäbigen alten Mantel und wartete, bis das schwarze Gesicht wieder auftauchte.
»Und jetzt soll ich auf meinem Moped nach Parva reisen?«, fragte er. »Oder haben Sie hier zufällig noch das eine oder andere Einhorn versteckt, von dem ich alle zehn Meter herunterfallen könnte?«
Ben grinste flüchtig und schüttelte den Kopf. »Einhörner wachsen hier auch nicht auf Bäumen.«
»Beruhigend«, murmelte Philipp. »Oder auch nicht. Ben – nehmen Sie das Amulett! Ich kann damit nichts anfan g en!« Er hielt Ben das Schmuckstück hin, aber der Mann schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann es nicht anfassen.«
»Wieso nicht? Ich konnte es auch anfassen. Vielleicht ist dieser Zauber kaputtgegangen, als die Quan es geschnappt haben. Versuchen Sie es wenigstens!«
Ben rührte sich nicht. »Ich glaube nicht, dass sich der Zauber verändert hat.«
»Machen Sie mich nicht misstrauisch«, warnte Philipp. »Wenn es nun aber doch so ist – wenn jeder es anfassen kann –, dann denke ich nicht daran, das Ding zu behalten. Dann knalle ich es Asarié vor die Füße, sobald sie hier auftaucht, und schnappe mir meine Schwester und Melanie und bringe sie nach Hause, nicht die Wechselbälger!« Er stutzte. »Wo sind die überhaupt?«
»Sie stehen oben an der Zimmertür und warten darauf, dass du ihnen erlaubst, sich zu bewegen.«
»Im Ernst?« Philipp kicherte, aber ein scharfer Schmerz in seiner Brust brachte ihn rasch dazu, wieder aufzuhören. Und auch Ben schien nichts Komisches daran zu finden. Aber als er auch weiterhin keine Anstalten machte, das Amulett anzufassen, packte Philipp seine Hand und legte es hinein.
Ben zuckte zusammen, sein Gesicht verzerrte sich. Erschrocken ließ Philipp ihn los. Ben hielt noch einen Moment lang aus, dann zog er die Hand zurück, und das Amulett fiel auf den Boden.
Der schwarzhäutige Mann stand auf. Seine dunklen Augen funkelten Philipp an, und er hielt ihm seine Hand hin, auf der eine große Brandblase prangte. »Ist das Beweis genug?«
»Verdammt«, sagte Philipp erschrocken und zerknirscht. »Es tut mir leid. Das wollte ich nicht!«
» Warum sind Schmerzen für euch Menschen ein Beweis für Ehrlichkeit, Worte aber nicht?« Er wartete keine Antwort ab, sondern wandte sich ab und ging in die Küche. Philipp hörte, wie er den Wasserhahn aufdrehte, und hatte ein schlechtes Gewissen. Dieser seltsame Stallmeister hatte ihm nichts getan, er hatte ihm sogar geholfen und die Wunden versorgt – eigentlich gab es doch keinen Grund, ihm zu misstrauen. Aber Philipp wusste nicht mehr, was er denken sollte. Warum hatte das Wolfskopfamulett nun ihn erwählt? Er konnte nicht einmal reiten, er wollte auch nicht nach Parva, er wollte Sonja ihr Abenteuer nicht wegnehmen. Er wollte nur, dass sie sicher nach Hause kam. Die Nomaden, Darian, die ganze fremde Welt waren ihm herzlich egal, solange Sonja und Melanie nur in Sicherheit waren.
Ben kam zurück. Er hatte sich ein nasses Handtuch um die verbrannte Hand gewickelt und sah in seinem gestreiften Schlafanzug und dem Mantel ziemlich albern aus. Aber er schien sich keiner Lächerlichkeit bewusst zu sein. »Ich habe nachgedacht«, sagte er und reichte Philipp ein Glas Orangensaft. »Das Amulett hat jetzt viermal den Besitzer gewechselt. Veleria gab es Darian, aber er verlor es, als er in eure Welt kam. Sonja fand es, trug es sicher von einer Welt in die andere, aber dann wurde es ihr von den Quan gestohlen. Und jetzt ist Sonja in Parva, und du hast es von den Quan bekommen.«
»Nein, das Vieh hat es nur verloren, als ich es in den Schnee geworfen habe.«
Ben achtete nicht auf den Einwurf. »Ich fange an zu glauben, dass es da eine Gesetzmäßigkeit gibt. Ich glaube, dass jemand, der das Amulett verliert und danach die Welt wechselt, seinen Anspruch aufgibt. Und vielleicht wählt d as Amulett niemanden aus, sondern bindet sich durch den Zauber an den ersten, der es findet und aufhebt. Dann wäre das alles kein großartiger Plan, der Sonja zur Auserwählten macht, sondern einfach nur Zufall.«
»Vielleicht, vielleicht«, sagte Philipp gereizt und nippte an seinem Orangensaft. »Ihr wisst reichlich wenig über dieses Ding, von dem ihr eure
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