Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
hielten sich jetzt dicht beieinander. Vorhin war alles noch ein Spiel gewesen, neu und aufregend, aber jetzt nicht mehr. Sie fühlten sich nicht halb so zuversichtlich, wie sie taten.
»Was machen wir nur, wenn wir das Amulett nicht wiederbekommen?«, flüsterte Sonja. »Wenn wir die Quan gar nicht finden? Vielleicht hat Ben mich doch angelogen –«
»Wir müssen sie einfach finden.« Unwillkürlich hob Melanie den Kopf und schnupperte, aber die Luft roch nur nach Schnee. Sie war nicht unbedingt traurig darüber – der Gestank war einfach zu ekelhaft. Aber es beunruhigte sie doch, dass sie so fraglos dem Hinweis eines Mannes folgten, den sie eigentlich gar nicht kannten.
»Ich rieche nichts«, sagte Sonja.
»Ich auch nicht.« Melanie schaute sich um. Berge, Schnee, ein grauer Himmel voller rasch dahinziehender Wolken, Darian, Elri und Lorin, die ein Stück vor ihnen ritten. Keine schwarzgrauen Vögel.
»Was ist wohl die Zerbrochene Stadt?«, überlegte Sonja. »Das ist ein komischer Name. Wie kann eine Stadt zerbrechen? Das geht doch nur mit Gläsern und so.«
»Vielleicht ist es auch gar keine Stadt«, meinte Melanie nachdenklich.
»Vielleicht ist es nur ein Symbol für irgendetwas anderes. Wir werden es ja sehen.«
Gegen Abend begann es zu schneien, und nun wurde der Ritt richtig ungemütlich. Schnee trieb ihnen in Augen und Nasen, legte sich eisig auf ihre Gesichter und die Rücken der Pferde, und die ganze Welt schrumpfte auf etwa zwanzig Meter zusammen. Sie ritten in einer Wolke aus Schnee u nd heulendem Wind, und alles dahinter war grauer Nebel. Sonja und Melanie froren jetzt jämmerlich, jeder Knochen tat ihnen weh, sie waren müde, hungrig und durstig und wollten nie wieder auch nur einen Schritt reiten. Doch gerade als Sonja so weit war, das laut zu sagen, wurde im Schneetreiben vor ihnen etwas Großes, Schwarzes sichtbar. Der Wind klang plötzlich gedämpft, die Hufe der Pferde klapperten auf Stein, und Elri sagte zufrieden: »Na also, ich wusste doch, dass hier eine Höhle ist.«
Es war keine sehr große Höhle, und mit einem Einhorn, zwei Pferden, zwei Ponys und fünf Kindern wurde es ziemlich eng. Aber dafür wurde es auch rasch warm. Der Höhleneingang lag zwischen zwei großen Felsen, sodass Wind und Schnee abgelenkt wurden. Der Boden war hart, aber trocken, und Sonja fand, dass dies die netteste Höhle war, die man in einem Schneesturm entdecken konnte. Leider hatten sie kein Holz, um Feuer zu machen, und die Pferde hatten nichts zu fressen. Aber es schien ihnen nicht allzu viel auszumachen. Eins nach dem anderen legte sich hin; nur Nachtfrost blieb stehen und hielt Wache.
Die Kinder holten ihre Decken aus den Bündeln, wickelten sich hinein und kuschelten sich an die Pferde; so hatten sie es alle warm. Im Nu waren sie eingeschlafen.
»Sonja«, flüsterte jemand, und Sonja fuhr hoch.
»W-was?«
»Pst!« Ein Schatten hockte neben ihr. »Ich bin es, Lorin. Du wolltest doch wissen, warum es Sternrückengebirge heißt.«
»Und dafür weckst du mich mitten in der Nacht?«
Er lachte leise. »Wann sonst willst du Sterne sehen?«
»Aber …« Sie verstummte. In der Höhle war es dunkel und s till bis auf das Atmen der Kinder und Pferde. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, warum es so still war: der Schneesturm hatte aufgehört. Tiefes Schweigen hing über den Bergen.
»Was ist jetzt mit dem komischen Namen?«, flüsterte sie.
»Steh auf«, flüsterte Lorin zurück. »Ich zeig es dir.«
Neugierig stand sie auf, wickelte sich wieder in ihre Decke und folgte ihm zum Höhlenausgang.
Es schneite nicht mehr. Die Luft war klar, eiskalt und beinahe schmerzhaft rein. Der Schnee überzog die Berge mit einer gleichmäßigen Decke, die hier und da glitzerte. Aber das war es nicht, was Sonja den Atem anhalten ließ. Es waren auch nicht die unzähligen Sterne, die am schwarzen Himmel funkelten. Es waren die Berge selbst.
Von einem Horizont zum anderen zogen sich die Gipfel des Sternrückengebirges, und auf jedem einzelnen brannte ein kaltes blaues Licht wie ein vom Himmel gefallener Stern.
»Das ist schön«, flüsterte Sonja. »Was sind das für Lichter?«
»Das ist die Sternstraße – Arunas Weg«, sagte Lorin leise. »Die Alten erzählen, dass die Göttin dort vor langer Zeit menschliche Gestalt annahm und über ihre Welt wandelte, um sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Sie verliebte sich in einen Sterblichen und verlieh ihm göttliche Kraft, aber ein schrecklicher Sturm trennte sie,
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