Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
schlug mit den Hufen, aber d ie Lawine überrollte ihn mühelos. Melanie schrie, schlug um sich und ging unter. Lorin verschwand unter einer Woge aus braunem Pelz. Einmal blitzte sein Messer auf, dann war es weg.
Sonja stand wie erstarrt vor Grauen. Einige Gnome wandten sich ihr zähnefletschend zu, aber sie konnte sich nicht rühren.
Denk an das, was du bist , sagte Nachtfrost in ihrem Kopf.
Sie war gar nichts. Sie wollte nichts mehr sein.
Reglos blieb sie stehen, bis die Gnome sie zu Boden rissen. Sie stürzte, schlug hart mit dem Kopf auf. Ein blaues Licht strahlte auf, und dann wurde alles schwarz.
T
raum oder Wirklichkeit
Das blaue Licht war überall.
Es leuchtete aus dem Boden, überstrahlte die Sonne am Himmel, erfüllte die ganze Welt. Es spiegelte sich in Nachtfrosts sternschwarzem Fell und ließ die Mähne und den Schweif funkeln wie flüssiges Silber. Mit weit ausgreifenden Sprüngen galoppierte er dahin, ein verzaubertes Wesen jenseits von Raum und Zeit. Es war alles, was Sonja sich jemals gewünscht hatte. Schmerz und Angst blieben weit zurück, abgestreift wie ein zu enger Mantel. Sie beugte sich vor, wurde eins mit Schönheit, Magie und Kraft. Lichtdurchflutete Wälder, spiegelklare Seen und majestätische Berge glitten vorbei, und sie wusste: Dies war Parva, aber so, wie es kein lebendes Wesen außer Nachtfrost je gesehen hatte. Ein Land wie ein Traum: unberührt und magisch, so, wie es vielleicht vor vielen Jahren gewesen war, bevor der Nebel kam. Und es war ein Geschenk der Göttin an sie.
Ein leise klingelndes Geräusch lag in der Luft. Bäume erschienen vor ihr, leicht und grazil wie Tänzerinnen. In ihren Wipfeln glitzerten Tausende von Eiskristallen. Nachtfrost wurde langsamer, fiel in Trab und dann Schritt. Wie ein Tor wölbten sich die Baumkronen. Als Nachtfrost hindurchschritt, blickte Sonja nach oben, gefesselt von der Schönheit dieser tödlichen Gefahr. Sie fürchtete sich nicht mehr. Sie hatte nichts mehr zu verlieren, nichts mehr, wohin sie zurückkehren wollte.
W ie im Traum ritt sie über eine Lichtung. Wesen, die wie umgekippte Baumstümpfe aussahen, tasteten mit ihren Wurzeln nach ihr. Leicht streifte sie sie ab, und sie sanken in ihre träumende Stille zurück. Braune Gnomgesichter spähten zwischen den Wurzeln hervor, aber sie waren nicht böse und hassverzerrt, wie sie sie zuletzt gesehen hatte, sondern von Staunen und Neugier erfüllt. Sie hielt nach dem Trollfelsen Ausschau, aber er war nicht mehr da.
Es überraschte sie nicht, als Nachtfrost eine Lichtung erreichte, auf der ein kleines, gemütlich aussehendes Haus stand. Es hatte kleine Fenster mit Butzenscheiben und ein Dach aus Stroh, und es stand in einem Meer aus duftenden Blumen und Kräutern. Vor dem Haus stand eine alte Frau.
Veleria.
Nachtfrost blieb stehen und neigte den Kopf zum Gruß. Sonja rutschte von seinem Rücken, lief auf die Frau zu und umarmte sie. Es erschien ihr das Natürlichste der Welt zu sein, und die Alte lachte und strich ihr über die Haare. »Hast du also hierhergefunden«, sagte sie.
»Bist du Aruna?«, fragte Sonja. Es kam ihr ganz natürlich von den Lippen, und erst danach wurde ihr klar, dass sie hier von einer Göttin sprach. »Ich meine –«
Veleria lächelte auf sie herab. »Ich bin ein Teil von ihr. Komm, setz dich zu mir. Hast du Hunger?«
Sonja schüttelte den Kopf und ließ Veleria los. »Ich habe nur so viele Fragen. Wo bin ich hier? Bin ich tot?« Die Frage fiel ihr überhaupt nicht schwer; während des verzauberten Rittes hatte das Wort jeden Schrecken verloren.
»Nein«, sagte Veleria, »aber du hast einiges abbekommen und brauchst ein wenig Ruhe. Also dachte ich, wir nutzen die Zeit und unterhalten uns ein wenig.« Sie führte Sonja z u einem weißen Tisch vor dem Haus und setzte sich auf einen der beiden Stühle. Sonja setzte sich ihr gegenüber. Nachtfrost trottete zu Veleria hin, und sie streichelte ihn liebevoll. Er legte seinen Kopf auf ihre Schulter und schloss die Augen, so glücklich und entspannt, wie Sonja ihn selten gesehen hatte.
Das also ist sein Zuhause, dachte sie. Und irgendwie ist es auch meins.
Aber dann fiel ihr etwas ein. »Veleria …«, begann sie.
»Ja?«, fragte die Frau aufmunternd, als sie stockte.
»Ich habe … ich hab alles verdorben, oder? Ich habe das Amulett verloren. Und ich habe Elri nicht aufhalten können, und ich habe den Streit nicht verhindert, und dann kamen diese Gnome … und jetzt ist alles zu Ende.« Sie senkte den
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