Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
nach oben. »Sieh mal«, flüsterte er.
Sonja guckte hoch. Die Tunneldecke sah seltsam aus und schien sich zu bewegen. Lief da Wasser entlang? Dann klärte sich ihr Blick, und sie begriff, dass die Decke sich tatsächlich bewegte. Sie glitt über dem Tunnel dahin wie eine endlos lange schwarze Schlange.
Das Gefühl von Sicherheit und Behaglichkeit war schlagartig weg. »Was ist das denn?«, flüsterte Sonja entsetzt.
»Ich glaube, es ist der Trollweg«, gab Lorin leise zurück.
»Was ist das?«
Er streckte die Hand nach ihr aus, und Sonja rutschte zu ihm hinüber und kuschelte sich in seinen Arm. Sie dachte gar nicht darüber nach; es fühlte sich genauso selbstverständlich an, wie Melanie und Elri zu umarmen oder Nachtfrost zu streicheln. So lagen sie da und schauten nach oben.
»Großmutter Ganna hat einmal etwas darüber erzählt«, sagte Lorin und sprach weiterhin leise, um die anderen n icht zu wecken. »Sie sagte, es sei ›reisen, ohne sich zu bewegen‹. Erklären konnte sie es nicht, sie sagte nur, es habe wohl damit zu tun, dass Trolle – weil sie ja die Geister des Steins sind – überall gleichzeitig sein können. Der Troll hat den Gang aus dem Berg herausgezogen, ihn an beiden Seiten geschlossen, und jetzt sitzen wir in einer Art Wanne und bewegen uns vorwärts. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal erlebe.«
»Aber wohin bringt er uns denn?« Sonja konnte es nicht fassen, dass er so gelassen blieb. Aber selbst Nachtfrost schien nicht beunruhigt und ihm vertraute sie bedingungslos.
»Er hat’s mir nicht gesagt, Yeriye.« Lorin grinste leicht. »Aber da Nachtfrost da drüben so friedlich schläft, würde ich fast annehmen, dass er uns dorthin bringt, wo wir hinwollen. Nach Lyecenthe.«
»Ich wäre lieber geritten …«
»Lieber nicht. Der Winter ist vorbei, und das bedeutet, dass der Schnee in den Bergen schmilzt. Da kommen Lawinen, Bergrutsche, Stürme … das ist keine gute Zeit, um durch das Gebirge zu reiten.« Er lachte leise. »Und möchtest du wirklich einem berggroßen Steingeist erklären, dass du dir seine Hilfe ganz anders vorgestellt hast?«
»Uh … nein. Wirklich nicht!«
Sie schauten weiter nach oben, bis die gleichmäßige, fließende Bewegung des Steins Sonjas Augenlider schwer werden ließ und sie wieder einschlief.
Als sie das nächste Mal aufwachte, waren alle anderen auch wach. Lorin hatte ihnen schon erklärt, dass sie sich auf einem Trollweg befanden, und da sie ohnehin nichts unternehmen konnten, beschlossen sie, die Reise einfach zu genießen.
D ie Pferde bewegten sich unruhig, sie hatten Hunger. Die Kinder gingen zu ihnen, streichelten sie und redeten mit ihnen, aber ein Ersatz war das nicht. »Sluh, könntest du nicht Gras für sie wachsen lassen?«, fragte Darian, aber der Gnom schüttelte den Kopf, dass seine braunen Haare flogen. »Keine Erde da«, quäkte er. »Keine Samen. Nichts zum Wachsen!«
Also gaben sie den Pferden alle Früchte, das Brot und ein paar Stangen rohes Gemüse, das wie Sellerie aussah, aber wie Basilikum roch, und anschließend hockten sie sich in die Decken und teilten ihre letzten Vorräte auf. Sluh aß nichts. Es schien ihn nicht weiter zu stören, dass der Troll ihn auf diese weite Reise mitgenommen hatte. Im Gegenteil, er war neugierig auf die Zerbrochene Stadt und wollte sie sich gerne ansehen.
»Wie kommt es, dass ihr diese Stadt noch nie gesehen habt?«, fragte Melanie. »Wenn ihr doch Erdgeister seid und überall hinkommt, wo etwas wächst?«
»Weiß nicht«, antwortete Sluh munter. »Deshalb bin ich ja so neugierig.«
Um sich die Zeit zu verkürzen, erzählten sie, was sie in den letzten Tagen erlebt hatten. Elri erzählte, dass der Wolf, den sie in der Nacht vor ihrer Gefangenschaft gehört hatten, Rion gewesen war. »Er rief mich«, sagte sie einfach. »Ich habe die Tesca früher nicht verstanden, aber seit einiger Zeit weiß ich, was die Rufe bedeuten. Nachdem ich mich verwandelt hatte, bin ich zu ihm gelaufen. Ich war verwirrt und hatte Angst und stolperte dauernd über meine eigenen Pfoten. Er brachte mir ein paar Dinge bei, und dann schickte er mich zurück. Aber ich fand nur die Spuren von unzähligen Gnomfüßen und wagte nicht, ihnen einfach so zu folgen. Also suchte ich einen Weg in die S chlucht. Ich dachte ja, Wurzel sei tot.« Schuldbewusst schaute sie zu ihrem Pony hin. »Ich wollte wenigstens die Decken und Vorräte retten. Aber in der Schlucht erwartete mich Nachtfrost. Er hatte Wurzel geheilt,
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