Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
Riesenschnecken. Staub und Schutt lagen überall, aber zwischen den Ruinen war genug Platz, um mit den Pferden hindurchzukommen.
»Wisst ihr, wie es sich anfühlt?«, fragte Elri, als sie weiterritten. »Als wäre hier nichts. Nicht einmal Geister.«
Darian nickte. »Es fühlt sich an wie in eurer Welt. Als sei eine Verbindung zerrissen.«
»Aber bei uns gibt es ja auch keine Geister«, gab Melanie zurück.
»Ja, ich weiß. Aber vielleicht ist eurer Welt ja irgendwann dasselbe zugestoßen wie Lyecenthe – vor so langer Zeit, dass ihr es nicht mehr wisst.«
»Was ist denn mit den Quan?«, fragte Sonja. »Das sind doch auch Geister, oder? Könnt ihr sie nicht spüren?«
Lorin schüttelte den Kopf. »Rion sagte doch, es sind fremde Geister. Nicht einmal Asarié kannte sie. Hat Veleria nichts über sie gesagt?«
Sonja versuchte sich zu erinnern. »Nein. Vielleicht weiß Sluh irgendwas –« Sie hielt inne und schaute sich um. Von dem Gnom war weit und breit nichts zu sehen. »Wo ist er denn hin?«
»Schaut sich wahrscheinlich um«, sagte Darian. »Mach dir um ihn keine Sorgen! Du hast doch gehört, was er gesagt hat – normale Waffen oder Elemente können ihm nichts anhaben. Und hier ist ja wirklich –« Er brach ab und starrte an Nalars Schulter vorbei auf den Boden. »– nichts, wollte ich sagen. Falsch gedacht.« Er zeigte auf den Boden. Eingegraben in den Staub, halb verwischt vom Wind, war der Abdruck einer großen Vogelkralle zu erkennen.
» Also sind sie doch hier!«, sagte Lorin.
»Oder sie waren hier.« Elri hob den Kopf und schnupperte. »Ich rieche nichts. Sagtet ihr nicht, sie stinken?«
»Der Wind steht falsch«, meinte Darian.
Sonja schaute sich um. »Irgendwer ist auf jeden Fall hier. Ich finde nicht, dass es sich leer anfühlt.« Im Gegenteil. Seit sie die Ruinen erreicht hatten, spürte sie, dass sie beobachtet wurden. Jemand hatte sie erwartet.
Aber da war noch mehr. Diese Stadt war uralt, verlassen, gespenstisch und tot, aber Sonja spürte, wie sie einst gewesen sein musste: voller Leben, voller Menschen, Tiere, Mischwesen und Geister. Ein Ewiger Bund war geschlossen worden, und wenn sie nur herausfand, was das bedeutete, konnte sie … ja, was? Sie hatte das Gefühl, als sei die Stadt gar nicht tot, sondern schliefe nur und brauchte nur ein einziges Wort, um wieder zu erwachen.
Hier würde ich gern leben, dachte sie.
Sie ritten weiter. Die Pferde tänzelten nervös, die Ponys drehten die Ohren nach allen Seiten, nur Nachtfrost war so zuverlässig wie immer. Bestimmt würde er sie warnen, wenn die Quan hier waren, oder?
Sie sind hier, bestätigte er ruhig. Und noch jemand. Erschrick nicht, wenn du sie siehst.
»Wer denn?«, wollte sie neugierig fragen, aber da erreichten sie einen großen Platz, in dessen Mitte eine Statue stand.
Die Statue war aus schwarzem Stein, das einzige Schwarze, das sie in dieser weißen Stadt bisher gesehen hatte. Sie stellte einen Wolf dar, ein riesiges schwarzes Tier von mindestens sechs Metern Höhe, das geradewegs in den Himmel zu springen schien.
Die Statue war makellos, unzerstört, nicht einmal staubbedeckt. Der Wolf sah aus, als sei er lebendig.
» Das war der Ewige Bund«, sagte eine kühle Frauenstimme aus dem dunklen Eingang eines zerstörten Hauses heraus. Erschrocken zuckten alle zusammen und drehten sich zu ihr um. Die Frau trat aus dem Schatten ins Sonnenlicht, und Melanie stieß einen verblüfften Schrei aus. »Asarié! Aber –«
Asarié beachtete sie nicht. Sie sah seltsam fremd aus – hohlwangig und müde, als hätte sie mehrere Nächte lang nicht geschlafen. Ihr weißes Haar war so glatt und ordentlich wie immer, aber das weinrote Kleid und die schwarzen Stiefel waren staubig und voller Schlammspritzer. Sie trat noch einen Schritt näher und schaute dabei nur Elri an, als seien die anderen gar nicht da. Nachtfrost legte die Ohren flach an den Kopf, aber auch ohne diese Warnung hätte Sonja gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Wieso war Asarié hier?
»Bei den Elarim und den Tesca gibt es eine alte Legende«, sagte sie. »Die Göttin verliebte sich in einen Sterblichen. Er war kein Mensch, sondern ein Mann vom Volk der Tesca. Für ihn baute sie diese Stadt, und zum Zeichen ihrer Liebe schlossen sie einen ewigen Bund, und Aruna gab ihm göttliche Macht. Aber dann kam der Untergang. Feuer fiel vom Himmel und stürzte weit entfernt ins Meer, und die Gewalt des Aufpralls zerriss die Welt. Länder und Meere wurden verwüstet und versanken
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