Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
zusammen atmeten tief die frische, kalte Luft ein, die von draußen kam. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das helle Tageslicht, und vor sich in einem Talkessel, eingeschlossen von hohen Bergen, sahen sie die Zerbrochene Stadt.
Es war die schönste Stadt, die Sonja je gesehen hatte, und auch die fremdartigste. Hunderte, T+ausende von Häusern aus weißem Stein, die keine einzige gerade Wand hatten, sondern wie organisch gewachsen aussahen, mit weich geschwungenen Linien und runden Fenstern. Kleine knubbelige Hütten, die ineinander übergingen, riesige Kuppeln, schlanke Türme, die sich fast vom Boden zu lösen schienen, und Brücken, die schwerelos über Schluchten und Straßen geschwungen waren. Es war ein Ort wie ein Traum, wie für Wesen mit Flügeln geschaffen.
Aber alles in Ruinen, alles zerfallen in Steinreste und Staub, traurig, still und tot. Es gab nicht einmal Pflanzen, die die Ruinen überwuchert hatten, nur harten, ausgedörrten Boden. Und nach etwa zwei oder drei Kilometern hörte d ie Stadt auf, wie abgerissen. Dahinter, wo früher einmal noch weitere tausend Häuser und Türme gestanden haben mussten und fremdartige Wesen ihr Leben gelebt hatten, wallte jetzt der Nebel über der unendlichen Weite des Versunkenen Landes.
»Deshalb also zerbrochen «, sagte Darian mit rauer Stimme.
»Sie muss uralt sein«, flüsterte Lorin. »Sie war vor dem Nebel da!«
»Wie lange gibt es denn den Nebel schon?«, fragte Melanie.
»Tausende von Jahren«, antworte Darian leise.
»Aber dann hätte sie doch längst verschwunden sein müssen. Überwuchert und zerfallen und mit Erde bedeckt. Bei uns ist das so. Es gibt Leute, die nach solchen Städten graben. Und da findet man dann –«
»Ist jetzt nicht so wichtig, glaube ich«, warf Sonja hastig ein. Spürte Melanie den Zauber und die Trauer nicht, die von dieser Stadt ausgingen? Lyecenthe, der Ewige Bund – was für eine hässliche Ironie, dass ausgerechnet ein solcher Ort zerrissen, zerstört und vergessen war.
Aber woher hatte Ben von dieser Stadt gewusst? Und woher wusste er, dass die Quan hier waren – falls er die Wahrheit gesagt hatte?
Unwichtig. Sie hatte beschlossen, ihm zu glauben. Veleria, Asarié und Nachtfrost hatten ihr bestätigt, dass sie das Richtige tat. Und der Troll, eins der mächtigsten Wesen von Parva, hatte ihr und ihren Freunden den Weg gezeigt.
»Wir müssen die Quan suchen«, sagte sie entschlossen, und Nachtfrost setzte sich in Bewegung, stieg über die Reste der geschmolzenen Tunnelwand und fing an, den Hang hinunterzuklettern. Die anderen folgten ihm. Sie bewegten sich vorsichtig, denn hier lag viel loses Geröll, d as unter den Hufen der Pferde ins Rutschen kam. Nur Sluh hüpfte unbekümmert über Felsen und Steine und wirbelte ordentlich Staub auf.
Einmal drehte Sonja sich nach dem Tunnel um, und da sah sie den Troll. Er stand gleich neben dem Tunnelausgang; sie waren kaum eine Armlänge entfernt an ihm vorbeigeritten. Er ähnelte dem Troll aus dem Kristallwald nicht – der war ein hellgrauer, abgerundeter Felsbrocken gewesen. Aber dieser Troll war fast ganz schwarz, mit grauen Schlieren durchzogen, und er sah fast menschenähnlich aus. Und er war durchaus nicht so groß wie der Berg, der steil hinter ihm aufragte, sondern höchstens vier Meter hoch. Das war immer noch groß genug, aber trotz allem, was Lorin über Steingeister gesagt hatte, doch nicht ganz so beängstigend. Still stand er dort, mit der Felswand verwachsen, als hätte er den Tunnel – der sich doch gerade erst geöffnet hatte – schon seit Jahrtausenden bewacht. Sonja winkte ihm zu, aber er rührte sich nicht.
Die anderen drehten sich verwundert um.
»Wem winkst du?«, fragte Lorin.
»Dem Troll. Neben dem Tunnelausgang. Siehst du ihn?«
Seine Augen wurden groß, und er nickte. Alle zügelten ihre Pferde und drehten sich um. »Sollen wir zurückreiten?«, fragte Elri und senkte ihre Stimme unwillkürlich zu einem Flüstern.
Sonja schüttelte den Kopf. »Das will er bestimmt nicht.«
Sie warteten noch einen Moment, aber da der Troll sich nicht regte, ritten sie weiter.
Strahlend weiß lag die Stadt unter dem blassblauen Himmel. Der Winter schien sie nicht berührt zu haben, jedenfalls sah Sonja weit und breit keinen Schnee. Es war, als hätte die Zeit diesen Ort vergessen.
S ie erreichten die ersten Ruinen, ein paar kümmerliche Steinreste im Staub, und ritten daran vorbei. Vor ihnen wuchsen die zerfallenen Häuser aus dem Boden wie weiße
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