Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
sie ernsthaft mit einem Schwert zu verletzen!«
»Du bist unmöglich!«, giftete sie ihn an und drängelte sich an ihm vorbei in die relative Wärme der Stallungen. Ihre Pferde, gefüttert und gestriegelt, begrüßten sie mit einem Wiehern.
»Man hat mir schon Schlimmeres nachgesagt«, antwortete er. »Für meinen Geschmack ereignen sich zu viele verdammte Zufälle. Tris war unterwegs nach Dhasson – jetzt ist es die Bibliothek. Und da dort nun mal die Hexenmütterchen sind, passt das auch dir ganz zufällig gut in den Kram.«
Carina zuckte die Schulter. »Was die Lady will, das fügt Sie«, entgegnete sie.
Vahanian blickte sie sauertöpfisch an. »Sag mir, Priesterin, wer bist du … wirklich?«
Carina schaute abrupt zu ihm auf, dann senkte sie den Kopf wieder und durchforstete weiter ihre Satteltasche. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Tatsächlich nicht?« Vahanian machte ein paar Schritte auf sie zu und lehnte sich an die Wand. In der feuchten Nachtluft roch der Stall nach Gerste und halb aufgefressenen Äpfeln und der warmen, süßlichen Ausdünstung der Pferde. »Ich glaube, du weißt genau, was ich meine. Versuche nie einen Mann zu täuschen, der seinen Lebensunterhalt mit Glücksspiel bestritten hat! Der Name, den du Gabriel genannt hast, Jesthrata, ist ein Hochlandwort. ›Wanderin‹, nicht wahr? Kein Familienname, eher ein Name für unterwegs, die Art, die man sich selbst gibt, wenn man es eilig hat, etwas anderes hinter sich zu lassen.«
»Du scheinst dich in diesen Dingen ja gut auszukennen«, murmelte Carina und gab vor, vom Kramen in der Satteltasche voll in Anspruch genommen zu sein. »Ist eine faszinierende Theorie.«
»Da stellt sich mir doch die Frage, was bringt eine Hofheilerin dazu, sich einen Wandernamen zuzulegen?«, fuhr Vahanian fort, der sich ihres Unbehagens wohl bewusst war. »Nicht, dass ich in Hofdingen besonders gut Bescheid wüsste, aber ich dachte immer, die meisten Leute dort wären die nutzlosen jüngeren Brüder und Schwestern, die die anderen königlichen Häuser nicht mehr brauchen.«
»Wie interessant!«, bemerkte Carina beißend. »Sprich doch weiter!«
»Ich weiß alles übers Wandern«, folgte Vahanian ihrer Aufforderung, ohne sich von ihrem Sarkasmus stören zu lassen. »Und du bist ein bisschen zu blaublütig dafür.«
»Für einen Führer hast du eine faszinierende Fantasie«, versetzte Carina und fixierte ihn mit einem wütenden Blick. »Warum tust du nicht so, als ob ich einfach nur mit euch reise, und beschränkst dich ansonsten darauf, uns den Weg zu zeigen?«
»Tja, damit habe ich ein kleines Problem«, erklärte Vahanian mit einer lässigen Handbewegung. »Auf mich schießen nämlich Leute, die mich zwar nicht kennen, dafür aber wissen, wer du bist. Und das gefällt mir nicht. Und deshalb, wie ich schon deinem Freund Tris erzählt habe: Entweder kenne ich die ganze Geschichte, oder ihr müsst auf meine Dienste verzichten.«
»Fein«, antwortete Carina und steckte das gesuchte Pulver in ihren Umhang. »Dann verzichten wir eben. Du kannst in Fahnlehen-Stadt auf uns warten. Was wir suchen, werden wir auch ganz gut ohne dich finden.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Natürlich ist das keine ausgesprochen zivilisierte Art, die Dinge zu betrachten, nachdem ich dir das Leben gerettet habe–«
»Was?«, rief Carina mit vor Zorn blitzenden Augen aus. »Du undankbarer Schuft! Du wärst schon seit einer Woche tot, wenn ich dich nicht geheilt hätte!«
»Und du wärst ebenso tot, wenn ich mich nicht auf jenen freundlichen Sklavenjäger geworfen hätte«, hielt Vahanian ihr entgegen. »Also sind wir quitt. Und jetzt frage ich dich noch einmal«, sagte er und machte noch einen Schritt auf die wütende Heilerin zu, bis er nur noch eine Handbreit von ihr entfernt war: »Wer bist du wirklich?«
Sie standen so dicht beieinander, dass sie den Kopf heben musste, um ihn anzufunkeln, und einen Moment lang rechnete er fest damit, dass sie ihn schlagen würde. Dann legte sich plötzlich etwas anderes über das Blitzen in ihren Augen, und sie wandte sich ab. »Also gut«, sagte sie nach langem Schweigen mit ausdrucksloser Stimme. »Du sollst deinen Willen haben.« Sie holte tief Luft.
»Mein Vater ist ein unbedeutender Adliger im Hochland an der Ostgrenze Isencrofts, ein Cousin des Königs«, erzählte Carina. »Es ist weit weg von der Stadt, und man hat dort seine eigenen Vorstellungen und geht seine eigenen Wege. Es gibt nur eine Sache, die sie dort draußen
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