Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
hoch. Tris stellte seine Fackel in einen leeren Wandhalter. Indem er sowohl seinen Rücken als auch seine Zauberkraft einsetzte, gelang es ihm, die schwere Tür zentimeterweise zu öffnen; danach beschwor er ein Handfeuer und ließ die Fackel zurück, um auf alle Fälle Licht für seinen Rückweg zu haben, und ging durch die Tür. Roysters Seil lag schlaff am Fuß der Treppe.
Die Gruft roch nach Verwesung. Tris konnte eben so zwei Fackeln in Wandhaltern direkt hinter der Tür ausmachen und vor ihm etwas Großes und Dunkles.
»Feuer!«, murmelte er und entzündete die Fackeln mit seiner Willenskraft. Er stand in der Grabstätte eines Kriegerkönigs. Zu seiner Rechten wartete eine kostbare Rüstung darauf, von ihrem Besitzer in der Ewigkeit getragen zu werden; zu seiner Linken harrte ein wunderbar gearbeiteter Sattel auf einem lebensgroßen Holzpferd seines Reiters. In der Mitte der Gruft lag auf einem Sarkophag die naturgetreue Nachbildung König Argus’ in ewiger Ruhe. Mit pochendem Herzen machte Tris einen Schritt auf die letzte Ruhestätte des Königs zu.
Ein Geräusch hinter ihm und ein Kribbeln seiner Magiersinne waren seine einzige Warnung. Mit erhobenem Schwert wirbelte Tris herum und sah einen Krieger aus Sehnen und Knochen mit gezückter Klinge aus der Dunkelheit auf sich zutaumeln. Der untote Krieger schlug so hart zu, dass es Tris fast das Schwert aus der Hand riss. Tris unterdrückte sein Entsetzen und setzte zu einem eigenen Schlag an, als er einen zweiten Skelettkrieger sich aus einem Haufen vermodernden Stoffes neben der Wand erheben sah.
Was ist das für eine Graumagie! , staunte er, während er die mit zerstörerischer Wucht geführten Hiebe parierte. Es war klar, dass Argus nach keinen anderen Regeln außer seinen eigenen spielte, und etwas war noch klarer, musste er sich schmerzlich eingestehen, als ein drittes Skelett auf ihn zugewankt kam: Seine sterbliche Kraft würde ihn lange im Stich gelassen haben, bevor die unversöhnlichen Untoten den Kampf aufgaben. Mit einem von oben nach unten geführten, mächtigen Hieb spaltete Tris den vordersten der knochigen Soldaten, nur um mit Grauen mitansehen zu müssen, wie die auf dem Boden liegenden Knochen sich klappernd aufeinander zubewegten und wieder zu einem intakten Skelett vereinigten.
Ein viertes und fünftes Skelett erhoben sich an der anderen Wand. Wenn das so weitergeht, dachte Tris keuchend, ist der Kampf vorbei, bevor er begonnen hat. Ungeachtet der Eiseskälte, die in der Gruft herrschte, lief ihm schon jetzt der Schweiß den Rücken hinunter. Einer der Krieger unterlief seine Deckung und fügte ihm eine schmerzhafte Schnittwunde zu. Und dann, als Tris selbst einen weiteren Treffer landete und das Skelett vom Hals bis zur Hüfte spaltete, hörte er im Geist wieder Tarus Worte.
Keiner von denen, die Argus herausgefordert haben, war ein Seelenrufer.
»Halt!«, rief Tris, während ein Schwerthieb seine Klinge mit solcher Wucht traf, dass er glaubte, sein Arm müsse brechen. »Weicht zurück!« Und als er sprach, bot er seine Macht auf, sodass er die Krieger mit seiner Magiersicht auf den Geisterebenen sah, wo sie mit dem Aussehen sterblicher Männer standen, tödlich verwundet.
»Bei der Macht der Lady, weicht zurück!«, zwang er ihnen seinen Willen auf, und die Skelettkrieger senkten die Schwerter und begannen sich zurückzuziehen und stumm Wachposten entlang der Wände zu beziehen. Doch nun konnte Tris in der Gruft eine andere Magie, eine andere Präsenz wahrnehmen, die darauf wartete sich auf ihn zu stürzen.
Genau in diesem Moment erloschen die Fackeln und ließen ihn in völliger Dunkelheit zurück. Die Tür der Gruft schlug hinter ihm zu, obwohl es seiner ganzen Kraft bedurft hatte sie aufzustoßen. Ein wehklagendes Heulen hob an und wurde lauter, bis es in der steinernen Gruft widerhallte; gleichzeitig sank die Temperatur noch weiter ab, bis Tris das Gefühl hatte, sein Atem müsse gefrieren.
Er beschwor Feuer zu den Fackeln, doch genauso schnell löschte eine andere Macht sie wieder aus. Tris spürte eine Präsenz, stark und gefährlich, sich ihm nähern, schloss die Augen und verließ sich auf seine Magiersicht und sah, als der Wiedergänger sich gegen ihn wandte, ein abscheuliches Maul, das mit Zähnen wie denen der verzauberten Bestien bestückt war.
Das Ding stürzte sich auf ihn, und er merkte, wie sein kaltes Wesen an ihm vorbei und durch ihn hindurch glitt, während das Heulen zu ohrenbetäubender Lautstärke anschwoll.
Weitere Kostenlose Bücher