Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
und real wie jeder menschliche Gegner. Vorsichtig umkreisten die beiden den Sarkophag.
Mit einem Sprung, der einem lebendigen Kämpfer unmöglich gewesen wäre, setzte Argus über das Grabmal und warf Tris so hart zu Boden, dass er im ersten Augenblick keine Luft mehr bekam. »Du musst schon noch etwas zulegen, Bürschchen!«, spottete Argus. Tris biss die Zähne zusammen und schlug mit seiner Magie zu, dass das Gespenst ins Taumeln geriet.
Sie kämpften eine scheinbare Ewigkeit lang. Tris wusste, dass Argus etwas besaß, was er selbst nicht vorweisen konnte: die unermüdliche Kraft eines Unsterblichen. Tris griff an, wich aus und täuschte an, zwang sich dazu, den hämmernden Kopfschmerz, der als Reaktion auf seine magischen Anstrengungen eingesetzt hatte, und die erdrückende Müdigkeit, die jede seiner Bewegungen zur Qual werden ließ, zu ignorieren.
Und so kam es schließlich, als Argus auf ihn sprang und ihn mit sich zu Boden riss, dass Tris die Kraft fehlte, sich zu befreien, und er nichts weiter tun konnte als sich gegen das Gespenst zu stemmen um zu verhindern, dass es die Oberhand gewann.
»Gib’s zu, Jungchen. Du bist geschlagen!«, machte Argus sich über ihn lustig.
»Ich werde nicht ohne Magierschlächter gehen!«, knirschte Tris zwischen blutigen Lippen hervor.
»Du wirst überhaupt nicht gehen!«
Und dann, so deutlich, dass Tris nicht fassen konnte, dass er sie nicht vorher gesehen hatte, lag die Lösung plötzlich vor ihm, und mit einer von Verzweiflung getriebenen Gewissheit schloss er die Augen und hetzte über die Pfade der Astralintrospektion in das Zwielicht der Geisterwelt. Tief, ganz tief hinab stürzte er sich, so wie er es bei jenem Brunnen getan hatte, als Carinas Seele in Gefahr war, und davor, als Vahanian inmitten der Sklavenjäger im Sterben lag. Dieses Mal war der Weg schon vertraut, und Tris raste ihn entlang, bevor Argus seinen Griff anpassen konnte, legte an Geschwindigkeit zu wie ein Jagdfalke im Sturzflug, zu auf den blauen Lebensfaden, der Argus war. Ohne die Folgen zu beachten, stellte sich Tris seinen eigenen schimmernden Seelenfaden vor und begann damit, ihn in einem komplexen, leuchtenden Knoten um den von Argus zu flechten.
»Heda, was fällt dir ein!«, brüllte Argus.
»Wenn ich nicht ohne Magierschlächter gehen kann, dann werde ich auch nicht als Euer Diener bleiben!«, rief Tris. »Wir werden die Ewigkeit zusammen verbringen, Seele an Seele gefesselt, enger als Brüder. Ihr werdet keinen Gedanken ohne mich denken und ich keinen Traum ohne Euch träumen.« Während seiner Worte fuhr er damit fort, die leuchtenden Lebensfäden miteinander zu verflechten.
»Halt ein!«
»Ja?«
Argus lockerte seinen Griff. »Ich habe keinen Bedarf für eine weitere infernalische Stimme in meinem Kopf.«
»Es sieht nach einem Unentschieden aus: Ich werde nicht nachgeben, selbst wenn Ihr mit der Zeit gewinnen müsst, weil mein sterblicher Körper ermüden wird. Doch wenn ich schon bei Euch bleiben muss, so wird es zu meinen Bedingungen geschehen.«
Mit einem Fluch ließ Argus ihn los. »Dann nimm das verdammte Schwert! In fünfzig Jahren hat mir keiner einen solchen Kampf geliefert!«, brummte er, doch das Funkeln in seinen Augen verriet Tris, dass er die Auseinandersetzung genossen hatte. »Das Spiel steht patt, du sagst es, so viel steht fest. Aber ich verliere, wenn ich nachgebe, und ich kann die Vorstellung, jemanden in meinen Gedanken zu haben, genauso wenig ertragen, wie ich wieder unter den Lebenden wandeln kann.«
Im selben Moment öffnete sich ohne fremdes Zutun der schwere Steindeckel des Sarkophags, und die Tür zur Gruft flog auf. »Nimm das Schwert«, sagte Argus, der neben seinem Grab stand, »und mit ihm den Segen von Argus dem König.«
So sorgsam, wie er den Knoten geflochten hatte, trennte Tris die schimmernden Lebensfäden wieder auf, bis sie schließlich jeder für sich leuchteten. Danach streckte er seine Sinne aus und kehrte auf dem im Zwielicht liegenden Pfad in die materielle Welt zurück. Er tat sein Bestes, um die stechenden Kopfschmerzen und seinen protestierenden Körper, in dem jeder einzelne Muskel in Flammen zu stehen schien, zu ignorieren, stand mühsam auf und wankte auf den Sarkophag zu. Argus nickte ihm aufmunternd zu. Tris tastete mit der Hand das Innere des Steinsargs ab, bis seine Finger kalten Stahl berührten, und zog ein Schwert von unvergleichlicher Handwerkskunst heraus, dessen aufwendig gearbeitetes Heft mit Edelsteinen in Form des
Weitere Kostenlose Bücher