Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
der Hauptmann. »Kooperiert, und es wird euch nichts geschehen. Setzt euch in Bewegung!«
Sie verbrachten die Nacht unter schwerer Bewachung in einem anderen Außenposten und wurden bei Tagesanbruch für den Weiterritt nach Fahnlehen-Stadt geweckt. Die Straße wurde breiter, als sie sich der Burg näherten. Händler und Bettler wichen zur Seite, um sie vorbeizulassen. Schließlich erreichten sie einen von schweren Toren geschützten Eingang am Fuß der Burg; sobald sie ihn passiert hatten, bohrte sich hinter ihnen das mächtige eiserne Fallgatter knarrend wieder in den Boden.
»Das gefällt mir nicht«, brummte Vahanian.
»Da sind wir ausnahmsweise einmal einer Meinung«, murmelte Carina.
Tris’ Fantasie hatte ihm während des Ritts viele Möglichkeiten vorgegaukelt; keine davon war erfreulich gewesen. Als sie in der Burg ankamen, rechnete er damit, dass man sie trennen und in unterschiedliche Kerkerzellen stecken würde – möglicherweise in Ketten –, bis sie nach Margolan ausgeliefert würden.
Die Wachen des Königs empfingen den Hauptmann im inneren Burghof. »Ab hier übernehmen wir die Gefangenen«, wurde ihm mitgeteilt.
»General Torret hat mir befohlen, sie persönlich zu übergeben«, wandte der Hauptmann ein.
»Ihr dürft dem General des Königs Dank übermitteln. Aber ab hier übernehmen wir die Gefangenen.«
Dem Hauptmann war sein Missfallen deutlich anzusehen, doch er verbeugte sich und gab seinen Männern das Zeichen sich zurückzuziehen.
»Ihr werdet mit uns kommen«, erklärte der Hauptmann der Wache den Gefangenen ausdruckslos, während die livrierten Soldaten zu beiden Seiten eine Kolonne bildeten. Vahanian und Tris wechselten verwirrte Blicke, als der Offizier sie an den Zellen vorbei- und eine lange, gewundene Treppe hinaufführte. Sie durchschritten eine schwere Holztür und fanden sich in einem gut ausgestatteten Raum wieder.
»Ihr wartet hier!«, sagte der Hauptmann. Er zog einen Dolch aus seinem Gürtel und durchtrennte ihre Fesseln, dann verneigte er sich knapp und zog sich zurück und ließ nur so viel Soldaten zurück, dass die Ausgänge blockiert waren. Die Gefangenen blickten einander argwöhnisch an.
»Kennst du diesen König, Tris?«, fragte Kiara.
»Ich bin ihm noch nie begegnet, aber Jared vielleicht«, antwortete Tris. Die Empfangshalle war zwar nicht opulent, aber recht behaglich. In einem Kamin an der Wand prasselte ein Feuer, darüber hing ein großes Portrait, von dem aus ein stämmiger Monarch finster auf die Besucher hinabblickte. Der König war für die Jagd gekleidet und hielt in einer Hand einen erlegten Fuchs als Trophäe, während ein Fuß in einem schwarzen Lederstiefel triumphierend auf einem zur Strecke gebrachten Hirsch thronte. Die übrigen Wände wurden von fein gewebten Gobelins eingenommen.
Vahanian rieb sich die Handgelenke. »Ich kapier’s nicht. Zuerst bringen sie uns hierher, als ob der Galgen auf uns wartete, und jetzt sieht es so aus, als ob sie Abendessen servieren wollten!«
»Vielleicht tun sie das tatsächlich«, antwortete Carroway unbehaglich. »Fragt sich nur, sind wir Gang oder Gäste?«
In diesem Moment sprang eine Tür auf. Ein Streifen grünen Brokats, das Rauschen von Taft und rennende Schritte trafen sie alle völlig unvorbereitet, als ihr Besucher sich auch schon auf Vahanian stürzte und es nur den schnellen Reflexen des Kämpfers zu verdanken war, dass nicht beide zu Boden gingen. Aus Vahanians Armen heraus strahlte der Neuankömmling sie an: Ein Mädchen mit glänzenden Augen und einer Kaskade rotbrauner Haare, die mit Perlen auf Golddrähte geflochten waren.
»Ich hab euch ja gesagt, dass ihr euch um mich keine Sorgen machen müsst!«, rief Berry aus, und ehe Vahanian reagieren konnte, schlang sie die Arme um seinen Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Ich sehe schon, dass sich die Frage erübrigt, wer von euch Vahanian ist«, sagte eine tiefe Baritonstimme, und erst da wurde die verblüffte Gruppe eines bärtigen, kräftig gebauten Mannes gewahr, der mit verschränkten Armen in der Tür stand und das Schauspiel beobachtete; allerdings war seine Miene gegenwärtig nicht streng wie auf dem Portrait über dem Kamin, sondern heiter und nachsichtig.
Berry gab Vahanian frei und lief mit würdeloser Freude zu sämtlichen Reisenden, um sie überschwänglich zu begrüßen. Ihre zerschlissene Jacke war einem knöchellangen Kleid aus Mussabrokat gewichen, dessen Oberteil von kleinen Juwelen und Perlen funkelte.
Weitere Kostenlose Bücher