Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
doch seine bloße Anwesenheit genügte, um Tris zu beweisen, dass die Geschehnisse der Nacht seine Loyalität in keiner Weise gefährdet hatten. Du Liebe Lady, es ist einfach unmöglich, dass sie mich jetzt nicht mit andern Augen ansehen! , dachte Tris, als der Weinbrand sich wie flüssiges Feuer den Weg durch seinen Hals bahnte. Ich weiß ja selbst nicht, was es zu bedeuten hat!
Der Alkohol tat seine Wirkung; Tris merkte, wie er kaum noch die Augen offen halten konnte. Er wehrte weitere Angebote von Brot und Dörrobst ab, murmelte protestierend, dass ihre Gastgeber ihre Dankbarkeit wirklich schon zur Genüge bewiesen hätten, und stolperte die Treppe hoch zu seinem Bett.
KAPITEL VIER
E inen Tag später, nachdem sie den Wirt und sein jetzt spukfreies Wirtshaus verlassen hatten, saß Tris mit den anderen an einem behelfsmäßigen Lagerplatz um ein kleines Feuer herum, umgeben von den Geräuschen wilder Geschöpfe und der Dunkelheit des Waldes. Dank einer eingehenden Unterrichtseinheit im Schwertkampf mit Soterius und Harrtuck schwitzte er immer noch. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er daran dachte, wie sie seine wachsenden Fertigkeiten gelobt hatten. Die vier Reisenden brieten, was ihnen an Wild in die Schlingenfallen gegangen war, saßen schweigend da und blickten in die Flammen. Sie waren noch einen Tagesritt von Ghorbal entfernt, einer geschäftigen Handelsstadt im Nordosten Shekerishets an einem Nebenfluss des Nu.
Schließlich sah Tris zu Harrtuck auf. »Erzähl mir noch einmal, was passiert ist, draußen in der Kaserne«, sagte er, und obwohl er sich um einen ausdruckslosen Tonfall bemühte, nahm er doch an, dass Harrtuck seine Gefühle leicht in seinen Augen lesen konnte. Tris faltete die Hände, starrte in die Flammen und hoffte, dass er die Fassung bewahren konnte.
»Alle wussten, dass es zwischen Jared und deinem Vater böses Blut gab«, begann Harrtuck ruhig, ohne seinen Blick vom Feuer abzuwenden. »Dein Bruder hat in der Kaserne kein Geheimnis daraus gemacht, und diejenigen von uns, die treu zu deinem Vater standen, versuchten ihn zu warnen. Aber viele Soldaten mochten Jared«, fuhr Harrtuck fort, »weil er einfache Ansichten vertrat, denen sie folgen konnten.
Nach einer Weile begann einigen Soldaten die Vorstellung zu gefallen, einen jungen, kampflustigen Mann als Führer des Königreichs zu haben, und ich bin sicher, dass Jared genau darauf immer hingezielt hat.« Er machte eine Pause. »Allerdings bin ich nicht sicher, dass sie von ganz allein auf diese Vorstellung kamen«, fügte er mit einem aufmerksamen Blick auf Tris hinzu.
»Arontala!«, murmelte Tris den Namen des Magiers wie einen Fluch. »Das hätte ich mir denken können!«
»Einer von Jareds Männern platzte an jenem Abend in die Kaserne und meldete, dass der König tot war«, erzählte Harrtuck weiter. »Ein Dutzend von uns, die deinem Vater treu ergeben waren, liefen sofort zum Palast, in der Hoffnung, dich und die Königin und Kait retten zu können, doch es gelang uns nicht – außer bei dir, mein Lehnsherr.«
»Und die anderen, die bei dir waren?«, fragte Tris leise.
»Alle tot«, berichtete Harrtuck. »Wie ich um ein Haar auch. Den Rest kennst du.«
»Ich danke dir«, sagte Tris mit einer Stimme, die kaum lauter als ein Wispern war. Er stierte in die Flammen und versuchte, die Erinnerungen zu verdrängen. Es war zwecklos. Sie suchten seine Träume heim und lauerten hinter jedem bewussten Gedanken. Wenn ich doch nur einen Weg gefunden hätte, Vater zum Zuhören zu bringen , dachte er unglücklich und ballte die Fäuste. Ich hätte mehr tun müssen, angestrengter versuchen, ihm vor Augen zu führen, wie gefährlich Arontala ist, wie Jared wirklich ist. Seine Nägel gruben sich in seine Handflächen, bis das Blut hervorsickerte. Aber andererseits hätte Vater Kait und mir nicht zugehört, wenn wir versucht hätten ihm zu erzählen, wie Jared die Dienerschaft schlug … oder uns. Mutter hat es ja versucht; ihr hat er auch nicht zugehört. Aber vielleicht habe ich mir nicht genug Mühe gegeben, es nicht oft genug versucht. Ich hätte mehr tun können. Und jetzt, weil ich es nicht getan habe, sind Kait und Mutter tot.
»Tris«, sagte Carroway sanft, und Tris kam zu Bewusstsein, dass der Barde ihn schon eine Weile angesprochen hatte, ohne dass er reagiert hatte. »Mach dir keine Vorwürfe. Du hast alles Menschenmögliche getan.«
Tris kämpfte sich wie unter einer Tonnenlast auf die Beine. »Wenn das wahr wäre,
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