Im Bann des Omphalos
Schwaden nahmen die phantastischsten Formen an. Dramauts Schritte verlangsamten sich, bis er schließlich stehenblieb.
»Es gefällt mir nicht«, murmelte er. »Die Luft stinkt nach Zauberei. Warten wir, bis es Tag wird.«
»Wir haben weder zu essen noch zu trinken«, gab Carodyne zu bedenken. »Wenn wir ein Feuer machen, locken wir den Gegner an, aber wir sind in keiner Verfassung für eine weitere Schlacht. Und was soll all dieses Gerede von Zauberei? Ich dachte, Ihr glaubt nicht daran?«
»Damit wollte ich nur meine Männer beruhigen«, gestand der Hauptmann. »Jeder weiß jedoch, daß es Magie gibt und Zauberer sehr mächtig sind. Vielleicht lauert uns bereits ein Dämon auf.«
»Wenn, dann machen wir auch ihn um einen Kopf kürzer. Glaubt mir, wir haben nichts dergleichen zu befürchten. Der Kaufmann beabsichtigte durch dieses Tal zu reisen, und er war kein Narr.«
Der Nebel wurde so dicht, daß Dramaut ganz dicht hinter Carodyne gehen mußte, um ihn nicht zu verlieren. Ein piepsendes Geräusch war zu hören, und winzige Tiere huschten über den Pfad. Dramaut riß das Schwert aus der Scheide. »Dämonen!« flüsterte er.
»Mäuse«, berichtigte Mark.
»Vielleicht, aber wovor fliehen sie?«
Carodyne zog vorsichtshalber den Dolch aus der Hülle. Der Hauptmann mochte zwar ein Opfer seiner zu regen Phantasie sein, soweit es Zauberer betraf, aber das hier war seine Welt, und möglicherweise waren seine Ängste nicht unbegründet. Vielleicht waren die Mäuse vor einem größeren Raubtier davongelaufen.
Absolut unerwartet prallte er im Nebel gegen etwas Weiches, Rundes. Hinter sich hörte er Dramauts Stiergebrüll und das Zischen seines Schwertes. Mark sprang zur Seite, als die Klinge herabsauste. Und dann explodierte das Universum in blendendem Licht.
9.
Sanftgelber Schein aus dem Herzen eines großen geschliffenen Kristalls erhellte das Zelt, in dem Carodyne sich auf einer Liegestatt fand. Er setzte sich auf. Sein Schädel pochte, und Übelkeit stieg in seine Kehle. Er stützte sich auf einen Arm und betastete vorsichtig den Kopf. Es war keine Beule oder sonstige Verwundung zu finden. Also war es kein Schlag auf den Schädel gewesen, der ihn an eine blendende Explosion hatte glauben lassen.
Er schaute sich um. Außer seiner Liege befanden sich ein niedriger Tisch und eine offene Truhe in dem Zelt. Die Truhe enthielt Glas- und Steingutgefäße aller Art. Von seinem Helm, seinen Waffen und der Kleidung war nichts zu sehen. Als er aufblickte, stellte er fest, daß er nicht allein war. Ein großer hagerer Mann mit furchengezeichnetem Gesicht blickte ihm mit schrägen grünen Augen vom Zelteingang entgegen. Er trug ein schwarzes Seidengewand, das mit silbernen esoterischen Symbolen bestickt war.
»Ich bin Albasar, der Hofzauberer König Feyas, und verdanke meine magischen Kräfte Marash.« Er deutete auf das auf seine Stirn tätowierte Zeichen. »Und wer seid Ihr?«
»Mark Carodyne.«
»Ein Söldner?«
»Ich nehme an, so könnte man mich nennen. Was ist passiert?«
»Ihr nehmt es an?« Albasar runzelte die Stirn. »Wißt Ihr es denn nicht?«
»Ja, ich bin Söldner und war vom Kaufmann Bulan Ukand angeheuert worden. Wir wurden überfallen und es gelang mir, mit einem Kameraden zu entkommen. Wo ist er?«
»Tot.«
Carodyne empfand Bedauern. Er hatte den kräftigen Burschen mit der donnernden Stimme gemocht. »Wer oder was hat ihn getötet?«
»Die Kraft eines Elementardämons. Durch mächtigen Zauber wurden diese Dämonen gefangen und in Ledersäcken festgehalten, die wir der Sicherheit halber an Ästen aufhängten und von Bewaffneten bewachen ließen. Ihr müßt im Nebel versehentlich dagegengerannt sein.«
Carodyne erinnerte sich an Dramauts Gebrüll und das Zischen des Schwertes, als der Hauptmann panikerfüllt auf etwas Weiches, Rundes einhieb – ein Sack, der Sprengstoff enthielt, vielleicht? Die Druckwelle der Explosion mußte ihn davongeschleudert und ihm die Besinnung geraubt haben.
Trocken sagte er: »Es ist gefährlich, das Zeug in der Nähe zu haben.«
»Deshalb bewahrten wir es auch weit außerhalb des Lagers auf. Die Wachen fanden euch und brachten euch beide zu mir. Mein Können rettete Euch, doch für Euren Kameraden kam jede Hilfe zu spät.« Albasar blickte ihn nachdenklich an. »Es scheint Euch nicht zu erschüttern, daß Ihr dem Tod nur knapp entgangen seid. Jeder andere an Eurer Stelle würde befürchten, die Dämonen, die er befreite, könnten seine Seele gezeichnet
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