Im Bann des Omphalos
Hinterhalt wie geschaffen. Hat er irgend etwas gesagt?«
»Nein.«
»Es ist unnatürlich für einen Mann, so wortkarg zu sein. Ich traue ihm nicht mehr, seit er uns zu dem verdammten Ort führte, wo wir fast starben.«
Carodyne zuckte die Schultern. Es war den Versuch wert gewesen, die Freundschaft des Kleinen zu gewinnen, aber er hatte nur wenig von ihm erfahren. Von Gualek wußte er überhaupt nichts, und von Kedash hatte er nur gehört. Und er hatte mit keinem Ton erwähnt, ob er den Kaufmann berauben wollte oder nicht.
»Wie geht es Bulan Ukand?« fragte er den Hauptmann.
»Er wird es nicht mehr lange machen, wenn wir dieses Gualek nicht bald erreichen. Die Anstrengung ist zu groß für ihn. Zu wenig Rast und nichts Ordentliches zu essen. Und jetzt besteht er darauf, daß wir noch das Tal durchqueren, ehe wir das Lager aufschlagen. Es wird finsterste Nacht sein, ehe wir hindurch sind.« Düster fügte er hinzu: »Wenn wir es überhaupt schaffen! Diese Berge an seinen Flanken gefallen mir gar nicht.«
Carodyne gab seinem Pferd die Sporen, als der Hauptmann umgekehrt war. Beim Führer angekommen, griff er nach dem Zügel dessen Pferdes.
»Was soll das?«
»Von jetzt an reiten wir alle dicht beisammen, der Sicherheit wegen.«
»Ich dachte, du seist mein Partner?«
»Bin ich auch. Willst du mir etwas sagen? Nein?«
Die Berge wurden höher. Die kleine Karawane drängte sich zusammen, die Bewaffneten dicht um die Sänfte, die Diener unmittelbar hinter ihnen. Carodyne saß angespannt im Sattel. Wenn es überhaupt einen Hinterhalt gab, wäre hier der ideale Ort dazu. Höhlenöffnungen gähnten im Feld. Von überall dort mochte Gefahr drohen. Vielleicht waren jetzt schon Pfeile auf sie angelegt. Am Himmel kreisten große Vögel. Während Mark noch zu ihnen hochsah, stießen einige herab. Irgendwo durchschnitt ein Pfeifen die Luft.
»Jetzt!« brüllte der Führer und drückte seinem Pferd die Fersen in die Weichen. Das Tier bäumte sich auf, und der Bursche rutschte herunter. Er rollte sich auf dem Boden herum, kam auf die Füße und rannte davon.
Dramaut verfolgte ihn. Als er ihn erreichte, hieb er sein Schwert herab und trennte ihm den Kopf vom Rumpf. Fast gleichzeitig brüllte er: »Vorsicht!« und wirbelte herum, zurück zu den anderen.
Mächtige Schwingen verdunkelten den Himmel. Von oben kamen sie, von allen Seiten: gewaltige Vögel, groß wie Pferde, mit gefährlichen Schnäbeln und langen Hälsen. Krallenfüße kratzten den Boden auf, als sie mit dreschenden Flügeln landeten. An den Hälsen befestigte Sättel trugen Zwergwüchsige, die wie unheilvolle Puppen aussahen. Sie waren mit Kurzschwertern bewaffnet und mit Armbrüsten, und plötzlich schwirrte der Tod dichtgedrängt durch die Luft.
Beim Alarmschrei des Hauptmanns riß Carodyne seine Klinge heraus und seinen Hengst herum und ritt zu Dramaut, der heftig auf einen geflügelten Gegner einhieb. Mark spürte, wie sein Pferd zusammenzuckte, dann bäumte es sich schmerzhaft wiehernd auf. Er wurde abgeworfen, als der Hengst mit einem Pfeil in der Kehle und einem zweiten im Auge durchging.
Etwas benommen kam er auf die Füße und starrte auf einen langschnäbeligen Schädel und das verzerrte Gesicht eines Pygmäen. Stahl blitzte. Hastig klappte er das Visier seines Helmes herunter. Ein Armbrustbolzen bohrte sich in den Augenschutz. Carodyne zerrte ihn heraus, sprang zur Seite, holt mit dem Schwert weit aus. Der geschnäbelte Schädel hüpfte wie ein Ball auf den Boden. Mit einem Rückhandhieb landete die Klinge im Fleisch des Pygmäen und löste sich, als dieser aus dem Sattel glitt. Erneut holte Mark aus, und ein weiterer Vogel hauchte flatternd das Leben aus.
Mark rannte zu Dramaut, gerade als dieser von seinem Pferd abgeworfen und von einem spitzen Schnabel bedroht wurde. Hastig schlug Carodyne dem Vogel den Kopf ab und sah zu, wie das geflügelte Reittier sich mit den letzten Reflexen in die Luft hob und sein Reiter schreiend herunterstürzte.
Ein Bolzen prallte gegen seinen Helm, ein anderer drang durch die Falten seines Umhangs, ein Flügel traf ihn mit betäubender Wucht. Carodyne riß seinen Dolch heraus, schnitt durch die Sehnen, wo der Flügel aus dem Körper wuchs, und beugte sich vor, um nach dem Reiter zu stechen. Die Spitze traf das wutverzerrte Gesicht, glitt an der Wange ab und drang in ein Auge.
»Zurück!« brüllte Dramaut. »Zurück!«
Mark glitt in einer Blutlache aus, rollte sich herum, hieb nach schuppengepanzerten Beinen
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