Im Bann des Omphalos
einem Raum zwischen den Dimensionen traf ich jenen, den die Menschen Kanin nennen. Mit ihm schloß ich den Pakt, und wir beide hielten uns an ihn.«
»Ihr habt ihm Priester gegeben«, sagte Carodyne, »einen Tempel, und dafür gesorgt, daß eine ganze Stadt ihn anbetet. Und er hat Euch dafür einen neuen Körper besorgt.«
»Diesen. Ich verließ meine alte, runzlige Hülle und schlüpfte in diese junge, schöne. Das Mädchen wehrte sich, wehrt sich immer noch, aber es nutzt ihr nichts. Sie muß zusehen, wie ich ihre Stadt zu einem Ort des Schreckens mache. Und warum auch nicht? Wie sehr sie alle die alte Erzieherin verachteten. Und trotz ihres süßen Lächelns und aller vorgetäuschten Zuneigung haßte sie mich nicht weniger, als die anderen es taten. Jetzt herrsche ich und tue, was mir gefällt, bis dieser Körper altert. Dann verlasse ich ihn und schlüpfe in einen neuen, und immer und immer wieder. Ich werde ewig leben und immer herrschen.«
Mit belegter Stimme fragte Carodyne. »Und was ist mit mir?«
Die Frau lächelte und schlug auf einen Gong. Zu dem eintretenden Leibgardisten sagte sie: »Teile dem Hohenpriester mit, daß er das Ritual vorbereiten soll. Wir haben ein Opfer für Kanin.«
14.
Irgendwo wimmerte ein Mann: »O Marash, gütige Marash, rette mich von meinen Feinden. O Marash …«
»Hör zu winseln auf!« befahl eine schneidende Stimme. »Wenn du nicht sofort antwortest, werde ich dir Grund zum Wimmern geben!«
»O liebe Marash, laß ihn nicht …« Das Wimmern wurde zu einem schrillen Schrei. »Nein!«
Ein Zischen war zu hören. Der Schrei wurde gellend, hallte von der Decke des Verlieses wider und erstarb in einem Stöhnen. Die schneidende Stimme fluchte. »Kanin hole diese Kaufleute. Bei der geringsten Berührung eines heißen Eisens fallen sie in Ohnmacht. Jemba! Schütte ihm Wasser über den Kopf und gib ihm die Bastonade, wenn er wach ist. Ich werde schon herausbekommen, wo er die Juwelen versteckt hat.«
Eine eifrige Stimme erhob sich über das Platschen des Wassers. »Meister, im Lande Keemel kennt man eine viel wirkungsvollere Weise, Unwillige zum Sprechen zu bringen. Man treibt ihnen Holzsplitter tief unter die Fingernägel und zündet sie an. Gestattet Ihr, daß ich ihm auf diese Art die Zunge löse?«
Polterndes Lachen echote von der gewölbten Decke. »Du hast die richtige Einstellung, junger Jemba. Tu mit ihm, was du willst, solange er nicht stirbt. Wenn du sein Geheimnis erfährst, kaufe ich dir ein neues Wams.« Schwere Schritte waren zu hören.
Carodyne zuckte hoch, als ein Kübel Wasser über ihn geleert wurde. Er schüttelte den Kopf und starrte hoch. Der Foltermeister stand breitbeinig über ihm. Schweinsäuglein stierten unter buschigen Brauen auf Mark hinab. Das Licht einer Feuerschale spiegelte sich auf dem kahlgeschorenen Schädel des Folterers, der sich die Hände an seinem schmutzigen, blutbefleckten Lederwams abwischte, und die schwarzen Zähne zwischen dem verfilzten Bart zeigte.
»Du schläfst also, mein Täubchen. Kannst du das Nichts nicht mehr erwarten, in das man dich bald schickt?«
Carodyne hatte nicht geschlafen. Er hatte sich gegen die Wand gelehnt gehabt, mit Armen und Beinen von Ketten gehalten, um sich ein wenig zu entspannen und seine Kraft zu sparen für das, was ihm bevorstand. Hinter dem Foltermeister konnte er durch eine offene Tür all das angenehme Werkzeug dessen Profession sehen, wie eine Streckbank, Daumenschrauben, Winde und Rad, spanische Stiefel, eine eiserne Jungfrau und ein glühendes Kohlenbecken, aus dem Eisengriffe ragten. Ein Schatten bewegte sich, und das unsichtbare Opfer schrie gellend.
»Liebe Göttin! Nein! Nein! Meine Hände!« Jembas jugendliche Stimme hob sich schrill vor Aufregung. »Wo hast du deine Juwelen? Sag mir, wo du deine Steine versteckt hast, dann höre ich auf, dich zu foltern. Sprich, Alter, oder …« Die dünne Jungenstimme fluchte. »Bei den Göttern! Er ist schon wieder ohnmächtig!«
Der Foltermeister schüttelte den Kopf. »Der Junge ist zu eifrig. Er muß die Kunst der Geduld erst noch lernen. So leicht sind Hartnäckigen die Geheimnisse nicht zu entreißen. Doch noch ein paar Jahre als mein Schüler und er wird selbst Steine zum Sprechen bringen.«
»Das bezweifle ich«, sagte Carodyne. »Ihm fehlt die Finesse.«
Der Foltermeister blinzelte.
»Es gibt andere Methoden, Menschen zum Reden zu bewegen«, fuhr Mark fort. »Und dazu braucht man nicht ihre Glieder zu strecken. Ihr Burschen
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