Im Bann des Omphalos
habt noch eine Menge zu lernen.«
»Magie?« Der Folterer zuckte die Schultern. »Sie wirkt hier unten nicht, dazu steht viel zu viel Eisen herum. Es wurde schon versucht.«
»Nicht Magie«, entgegnete Carodyne. »Psychologie und Zermürbungstaktik. Gib mir Zeit, und ich bekomme ihn soweit, daß er dir alles sagt, was er weiß. Mehr noch, er wird dich anflehen, es dir erzählen zu dürfen – und ich werde ihn nicht einmal anrühren.«
»Wirklich?« Der Foltermeister zupfte an einem Zahn. »Wie würdest du das anstellen? Hör zu«, sagte er drängend, als Carodyne keine Anstalten machte, etwas zu sagen, »ich bin immer gern bereit, etwas dazu zu lernen. Verrate mir das Geheimnis und ich lockere deine Ketten ein wenig, gebe dir vielleicht sogar ein bißchen Wein. Na, ist das nichts?«
»Nimm mir die Ketten ab, und ich überlege es mir.«
»Du weißt, daß ich das nicht tun darf. Sie werden jeden Augenblick kommen, um dich zu holen, und wenn sie sehen, daß du frei bist, wird man mich verantwortlich machen. Aber den Wein kann ich dir besorgen.«
»Wasser ist mir lieber«, sagte Mark. »Wasser mit einer Prise Salz.«
Er lockerte seine Muskeln, als der Folterer sich auf den Weg machte. Die Eisenbänder, an denen die Ketten hingen, waren eng, aber gerade noch erträglich, solange er sich ruhig verhielt, und das tat er. Offenbar dauerte es seine Zeit, alles für ein Opferritual vorzubereiten, aber er wünschte, er hätte sie in angenehmerer Umgebung zubringen können.
Er blickte auf, als Männer aus einem Nebenraum kamen. Ein Offizier mit Kammhelm und der Messingrüstung von Iztimas Leibgarde öffnete die Eisenbänder und blickte Mark dabei finster an.
»Mein Vetter starb unter deinem Schwert«, knurrte er. »Ich wünsche dir eine Ewigkeit voll Schmerzen!«
Carodyne streckte sich. Der Offizier stand so nahe, daß er ihn mit einem Handkantenschlag töten oder zum Krüppel machen könnte, aber seine Leute beobachteten ihn wachsam, und eine erfolgversprechende Flucht war unmöglich. Ohne Widerstand ließ er sich aus der schmalen Kammer durch den nächsten Raum zu einer nach oben führenden Treppe bringen, an deren Fuß der Foltermeister mit einem Becher Wasser stand.
Oben erwartete ihn Taneft mit einem Kreis Akoluthen und Priester. »Du hast die Wahl«, sagte er zu Mark. »Du kannst frei gehen wie ein Mann, oder wie ein Tier gezogen werden. Wenn du versuchst, dich zu wehren oder zu fliehen, mußt du mit letzterem rechnen.«
Ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, dachte Carodyne. Aber auch jetzt war gegen diese Übermacht jeder Widerstand zwecklos. Wenn er später eine Chance sah, würde er sie nutzen.
Licht schlug ihnen entgegen, als sie durch eine Tür traten: der Schein unzähliger Fackeln, Feuerschalen und Öllampen. Er mußte vor der blendenden, ungewohnten Helligkeit die Augen halb zusammenkneifen, ehe er eine Doppelreihe Männer mit grellbunten Federkappen und der Gagatscheibe Kanins darauf sah. Sie schlossen sich ihnen an, und alle bewegten sich im Takt der rasselnden Sistren, dem Schmettern der Trompeten und dem dumpfen Schlag von Gongs vorwärts, dazu kam noch das aufreizende Pochen von Trommeln. Wie eine vielfarbige, edelsteinbesteckte Schlange wand der Zug sich durch den Vorraum zum inneren Tempel.
Durch ein breites Portal kamen sie in den riesigen Raum. Mächtige, mit Goldsilberlegierung überzogene Säulen stützten das hohe Kuppeldach, das dicht mit den verschiedensten Edelsteinen besetzt war. Der Duft brennenden Räucherwerks stieg die Sinne verwirrend in die Nase. Stimmen hoben und senkten sich in monotonem Gesang, als sie durch die dichtgedrängten Reihen von Andächtigen schritten. Gegen Ende des Tempelraums schwenkten die ihn Begleitenden links und rechts aus, daß Carodyne allein vor dem Altar stand.
Er betrachtete ihn, während der Hohepriester zur Plattform hochstieg. Es war eine gewaltige Platte aus spiegelblank poliertem Obsidian, die auf der niedrigen Plattform ruhte. Darüber und dahinter, der Tempelhalle zugewandt, erhob sich eine glatte pechschwarze Scheibe mit einem Durchmesser von gut sechseinhalb Meter. Ein Ring goldfarbenen Metalls umgab sie, das das Licht funkelnd spiegelte, im Gegensatz dazu schien die Scheibe es wie ein Schwamm aufzusaugen.
Taneft warf sich vor der Scheibe auf die Knie, dann erhob er sich mit weit ausgebreiteten Armen. Ein Gong pochte. Als die Echos verhallten, hob der Hohepriester die Stimme.
»Vor dir, großer Kanin, Zerstörer der Welten, Herrscher
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