Im Bann des Omphalos
hoch und benäßte ihm Hand und Arm.
Ein Wutschrei echote in seinem Kopf. Die Substanz unter seinen Beinen zuckte, und wieder stürzte er durch endlose Finsternis. Erst nach einer langen Weile wandelte sie sich zu einem perlschimmernden Leuchten, das sich zu blendenden Punkten zusammenzog. Ein titanischer Skorpion bewegte sich darauf zu. Die Punkte wuchsen zu einer Flut sprühenden Lichtes. Eine Landschaft von alptraumhaften Proportionen dehnte sich unter ihm aus.
Eine Sandmulde unter einem brennenden Smaragdhimmel. Bäume, die dreihundert Meter emporragten. Blumen groß wie Paläste, Felsblöcke wie Häuser. Tropfen, die wie Seen schimmerten. Ein Silbernetz, in das er fiel. Eine Spinne so groß wie eine Galeere mit hundert Rudern. Mit funkelnden Augen kam sie näher, während ihre Kiefer klickten.
Das Schwert sauste herab und hieb auf die ihn haltenden Netzfäden ein. Dann schwang er es erneut in weitem Bogen. Tief in Chitin drang es ein, und wieder und immer wieder. Übelriechender Lebenssaft spritzte um Mark. Er ließ sich aus dem durchtrennten Netz fallen, rannte über Sand und blickte sich zu der sterbenden Spinne um. Kleiner wurde sie, während er sie beobachtete, auch die Blumen schrumpften, und die Bäume wurden zu Gras.
Über sich hörte er ein Reißen wie von schwerem Tuch.
Er blickte zum Himmel hoch. Eine Klaue schob sich hindurch, packte ihn und warf ihn durch die Luft. Eine groteske Kreatur, die von einer prallen Blase hing, griff nach ihm. Carodyne ignorierte die Schmerzen, die die Berührung der ätzenden Tentakel verursachte. Er nahm das Schwert zwischen die Zähne und kletterte die dünnen Stränge zu der Blase hoch. Er sah Glotzaugen, ein runzliges Gesicht und darüber die pralle Blase. Gas zischte heraus, als er sie mit der Schwertspitze aufschlitzte. Zusammen fielen sie hinunter zu einem See, der von bewegten Wolken und buntem Rauch umgeben war.
Carodyne ließ die seltsame Kreatur los und tauchte in das Wasser. Als er wieder hochkam, war er sich großer Gefahr bewußt. Das Wasser kräuselte sich vor ihm. Schnell tauchte er erneut und sah spitze Zähne in einem klaffenden Rachen und einen gelben Körper durch das Wasser schießen. Er schwamm zur Seite und stieß zu, als die Kreatur vorbeibrauste. Blut färbte den See, als er keuchend wieder auftauchte. Der Rauch verzog sich und gab den Blick zum Strand frei. Ein Mann blickte Carodyne entgegen und sah ihm zu, wie er aus dem Wasser watete.
»Es wird dir nicht gelingen, am Leben zu bleiben«, sagte er. »Weshalb machst du dir überhaupt die Mühe, dich gegen so gewaltige Kräfte zu wehren?«
Carodyne schüttelte das Wasser aus dem Haar und musterte den Fremden. Er war ein alter Mann mit weißem Haar und Bart, der eine Art braune Mönchskutte trug und einen Kordelgürtel um die Mitte. Er war barfuß. Als Mark schwieg, fuhr er fort:
»Kanin ist viel zu mächtig, als daß du ihm widerstehen könntest. Warum läßt du dich nicht einfach in das Wesen seines Seins aufnehmen? Dein Widerstand ist zwecklos. Wie kannst du, ein Sterblicher, auch nur hoffen, einen Gott zu besiegen? Es ist lächerlich! Götter sind unschlagbar. Wirf deine jämmerliche Waffe von dir und füge dich in dein Geschick.«
»Es mag sein, daß Götter nicht zu bezwingen sind«, sagte Carodyne. »Aber woher willst du wissen, daß Kanin ein Gott ist?«
»Man betet ihn an.«
»Man betet auch andere Dinge an, den schnöden Mammon, beispielsweise, oder eine schöne Frau, doch das macht sie nicht zu Gottheiten. Außerdem liegt es nicht in meiner Natur, mich selbst aufzugeben und mich in meine Vernichtung zu fügen.«
»Die Aufnahme in Kanins Sein ist keine Vernichtung, sondern Garantie für ein ewiges Leben. Du wirst ein Teil des Gottes und somit über gewaltige Macht verfügen.« Der Greis streckte die Hand aus. »Komm jetzt, sei nicht so dumm. Gib mir das Schwert.«
Carodyne hieb nach seinem Hals.
So stumpf die Klinge auch war, so genügte die Heftigkeit des Schlages, den Kopf vom Rumpf zu trennen. Mit weitaufgerissenen Augen rollte der Schädel über den Strand. Der alte Mann bückte sich, hob ihn auf und hielt ihn im Arm.
»Begeh nicht den Fehler, dir einzubilden, dies sei ein Traum«, warnte er. »Du kämpfst gegen die Manifestationen einer Macht, die größer ist, als du dir vorstellen kannst.«
»Eine Kreatur, die hinter einem interdimensionalen Tor Ahnungslosen auflauert, um sich an ihnen zu stärken«, sagte Carodyne verächtlich.
»Vielleicht. Trotzdem bist du
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