Im Bann des Omphalos
Als ich später versuchte, etwas über jene Zeit zu erfahren, mußte ich feststellen, daß die Vergangenheit durch mächtige Zauberbarrieren abgetrennt war.«
»Und die Zukunft?«
»Nur die Götter können sich ein klares Bild von ihr machen, aber ich werde eine Prophezeiung versuchen.« Albasars Augen leuchteten wie Smaragde, als er Carodyne anblickte. »Die Wachen werden Euch innerhalb der nächsten fünfhundert Herzschläge zu Iztima bringen.«
Und so geschah es auch. Sie stand in einem Gemach ganz aus Onyx und Elfenbein, mit Intarsientischchen, auf denen Statuetten, Vasen und andere wertvolle kleine Sammelstücke standen. Auf dem Boden lagen Fellteppiche. Iztima hatte ihr Haar mit Silberbändern zu Zöpfen geflochten. Silber verzierte auch das enge scharlachfarbene Gewand. Ein riesiger Rubin funkelte am Zeigefinger ihrer linken Hand.
»Eure Majestät!« Der Hauptmann der Wache, der Carodyne aus dem Verlies geholt hatte, verbeugte sich mit übertrieben wirkender Ergebenheit. »Der Gefangene, wie Ihr befohlen habt.«
Der Rubin glitzerte, als sie die Hand hob. »Laßt uns allein.«
Als der Offizier rückwärtsgehend das Gemach verließ, trat Iztima näher an Carodyne heran und musterte ihn mit kühlem Blick. Man hatte ihn gebadet, sein Haar gekämmt und in ein Gewand aus blaßblauer Seide gehüllt.
»Ihr seid so angespannt«, sagte Iztima mit Silberglockenstimme. »So wachsam, und Ihr fragt Euch, was mit Euch geschehen wird. Das ist nur natürlich, und auf gewisse Weise hängt Eure Zukunft von Euch selbst ab. Doch laß Euch eines sagen: wenn Ihr Eure Hand gegen mich erhebt, werdet Ihr mit unvorstellbaren Schmerzen fallen. Möchtet Ihr es ausprobieren?«
Später, vielleicht, dachte er, nicht jetzt, wo sie voll darauf vorbereitet ist. Er schwieg und sah ihr zu, als sie Wein in Smaragdgläser schenkte. Er nahm das Glas, das sie ihm entgegenstreckte.
»Habt Ihr keine Angst, daß ich Euren Wein vergiftet habe?«
»Wenn Ihr mich tot sehen wollt«, antwortete Carodyne rauh, »brauchtet Ihr keinen guten Wein dazu.«
»Stimmt. Ihr seid klug, daß Ihr das erkennt, aber vielleicht bemerkt Ihr sogar noch mehr. In gewissem Sinn gab ich Euch eine Waffe in die Hand: Wein, den Ihr mir in die Augen schütten, und ein Glas, das Ihr zerbrechen und an meine Kehle halten könnt.«
Er zuckte die Schultern und nippte vom Wein. Er war unangenehm süß, heiß und stark gewürzt. Brennende Wärme durchzog Mark, und er wurde sich der Weiblichkeit und Schönheit der Königin immer mehr bewußt. Er drückte das Glas an die Lippen, täuschte jedoch nur vor zu trinken.
»Ihr traut mir«, sagte sie. »Das ist gut. Ich glaube, wir sind uns in vielem ähnlich. Ihr seid groß und mutig und alles andere als ein Söldner, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Taneft sagte, daß die Samen gewaltiger Kräfte und Macht in Euch stecken, und das kann ich mir auch gut vorstellen. Kein gewöhnlicher Mann hätte die Stadtmauer bezwingen und in die Stadt eindringen können. Verratet mir, weshalb habt Ihr gegen mich gekämpft?«
»Ich hatte keine Wahl. Mir blieb nur sterben oder kämpfen.«
»Und so habt Ihr gekämpft.« Ihre Stimme wurde tiefer. »Genau wie Ihr geboren seid zu kämpfen. Ist es nicht so, Mark? Ihr seht, ich kenne Euren Namen. Mark Carodyne, der von wer weiß woher kommt. Was habt Ihr Euch gedacht, als Ihr mich zum erstenmal gesehen habt?«
»Daß Ihr von ungewöhnlicher Schönheit seid«, antwortete er ehrlich.
»Und gütig?« Sie zuckte die Schultern, als er schwieg. »Niemand würde mich gütig nennen, genausowenig wie sanft, Mark. Man nennt mich grausam, aber welche Frau kann es sich auf dieser Welt leisten, schwach zu sein? Ich herrsche, ja, aber was mich das kostet, ahnt niemand. Ich bin allein. In diesem ganzen Land gibt es keinen, dem ich trauen oder den zu lieben ich wagen könnte. Doch ich bin eine Frau mit allen Bedürfnissen einer Frau.«
Eine Barbarin, dachte er, eine Kreatur mit emotionalen Impulsen, die einer Laune nachgibt. Oder war es mehr als das? Sie war eine schöne Frau, daran bestand kein Zweifel, aber es war etwas in ihren Augen, das ihm sagte, daß er ihr nicht trauen durfte. Spott vielleicht, oder sadistische Erwartung? Ihr Angebot, ihr Alleinsein mit ihm, das alles mochte der Köder einer gemeinen Falle sein. Und doch hatte er keine andere Wahl, als ihr Spiel mitzumachen.
Lächelnd sagte er: »Meine Lady, Ihr seid die schönste Frau, die meine Augen je erblickten. Ihr herrscht über mehr als
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