Im Bann des Omphalos
Wachstube saßen drei Wächter beim Würfelspiel. Zwei Hiebe mit dem Schwert, und zwei der Männer verstummten für immer. Der dritte, ein kleiner stämmiger Bursche mit pockennarbigem Gesicht, schluckte, als er auf die gespaltenen Schädel seiner Kameraden blickte und auf die Schwertspitze, die sich seiner Kehle immer mehr näherte. Furcht lähmte ihn.
»Die Verliese!« knurrte Carodyne. »Die Zelle mit den Männern, die in der Schlacht gefangen wurden. Wo ist sie?« Er folgte dem Blick des Mannes zu einer Tür in der Wand. »Und die Schlüssel?«
Schweiß perlte über das narbige Gesicht. »An einem Nagel hinter der Tür. Herr, ich flehe Euch an. Verschont mein Leben!«
Carodyne zog das Schwert zurück. Sein Arm zitterte ein wenig. Der Tod kam zu leicht auf dieser Welt, und ihn auszuteilen konnte zur Gewohnheit werden. Doch nur ein Narr würde einen Feind am Leben lassen, der ihm in den Rücken fallen mochte.
»Bitte, Herr!« Der Bursche bebte am ganzen Leib. »Ich habe ein Weib und Kinder, die mich brauchen.«
»Führe mich zu der Zelle«, befahl Mark. »Wenn du mich angelogen hast, wirst du es bereuen.«
Der Mann hatte nicht gelogen. Hostig begrüßte ihn polternd. »Mark! Die Götter haben meine Gebete erhört! Du lebst!«
Seyhat riß die Tür auf, als der Wächter mit zitternden Fingern die Zelle öffnete. Er trat hinaus, die anderen folgten ihm dichtauf. »Leih mir dein Schwert«, wandte er sich an Mark.
»Warum?«
»Um den Wächter zu töten. Was sonst?«
»Ihm wird kein Härchen gekrümmt!« bestimmte Carodyne. »Nehmt ihm die Kleider und sperrt ihn in die Zelle.« Er trat zu dem an der Wand hängenden Käfig und durchtrennte die Stricke, ehe er das Schloß aufhieb. Der Gefangene rührte sich nicht, als Mark die Tür aufriß. Er blickte auf ein bläuliches Gesicht und glasige Augen.
»Er hat seine Zunge verschluckt«, sagte Albasar leise.
Carodyne drehte sich mit grimmigem Gesicht um. Der Haß auf die Kreatur, die von der Prinzessin Besitz ergriffen hatte, verlieh ihm neue Kraft. »Es stinkt hier!« sagte er zu seinen Gefährten. »Sehen wir zu, daß wir verschwinden!«
In der Wachstube schenkte Albasar Wein aus einer Kanne in einen Becher. Er breitete die Hände darüber, während seine Lippen sich stumm bewegten. Dann blickte er konzentriert auf die Flüssigkeit.
»Wißt Ihr einen sicheren Weg für uns aus der Stadt?« fragte ihn Carodyne.
Mit zusammengezogenen Brauen schüttelte der Zauberer den Kopf. »Ich sehe Schatten und seltsame Muster wechselnder Finsternis. Es hat den Anschein, als kämpfe gewaltige Magie gegen sich selbst. Vielleicht ist Eure Schlacht gegen Kanin noch nicht beendet. So leicht nimmt ein Gott seine Niederlage nicht hin. Sagt mir, wißt Ihr etwas von einem Versprechen? Oder einem Fluch? Oder einer Drohung?«
»Ich kann mich an weder das eine noch das andere erinnern.«
»Dann muß ich es noch einmal versuchen.«
Ungeduldig blieb Mark an der Treppe stehen. Die Zeit verging viel zu schnell, doch sich ohne Plan auf den Weg zu machen, konnte nur zu neuerlicher Gefangennahme führen.
Hostig ächzte, als er sich in seiner zu engen Rüstung bewegte. »Wir sind doch jetzt als Wachen maskiert, könnten wir nicht einfach offen aus dem Palast marschieren und tun, als sei Albasar unser Gefangener?«
»Du machst es dir etwas zu einfach«, wies Seyhat ihn zurecht. »Glaubst du, die Wachen sind alle Dummköpfe? Ist Iztima blind? Kann man Tote liegen lassen, ohne daß jemand über sie stolpert und sich Gedanken macht? Mark hat ein Wunder bewirkt, indem er uns aus der Zelle holte und uns Rüstung und Waffen verschaffte, aber er ist kein Magier, daß er uns mit einem Spruch in Sicherheit zaubern kann.«
»Hab’ ich das behauptet?« brummte der riesenhafte Nordmann. »Es war nur ein Vorschlag. He! Was war das?« Er griff nach dem Tisch, als der Boden unter ihren Füßen erneut zitterte. »Der Erddämon! Mögen die Götter uns helfen, daß die Mauern nicht über unseren Köpfen einstürzen.«
Der Boden schwankte leicht. Ein tiefes Rumpeln war unter ihnen zu hören. Der Becher auf dem Tisch kippte, und sein Inhalt ergoß sich über die Platte. Schnell griff Hostig nach dem Krug und leerte ihn zur Hälfte.
»In der Verwirrung könnten wir vielleicht aus der Stadt gelangen«, meinte er.
»Mit Gold«, fügte Seyhat mit dem Instinkt des Söldners für Plündergut hinzu. »Im Palast und Tempel gibt es massenhaft davon und Edelsteine obendrein. Wir brauchen nicht mit leeren Händen zu
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