Im Bann des Piraten: Er nahm sie gefangen - doch sie entfesselte seine Liebe (German Edition)
Hosen kam herbeigeeilt und tupfte sich den schmalen Schnauzbart mit einem Leinentuch ab. Er hatte leuchtend blaue, kluge Augen und sah aus, als lächelte er immerzu ein wenig.
»Ihr habt gerufen, mon Capitaine ?«
» Monsieur le Docteur , Mademoiselle behauptet, die Kleine wäre krank. Ich hätte dazu lieber eine fachkundigere Meinung, s’il vous plaît .«
»Mais oui, mon Capitaine.« Monsieur Gingras legte einen Finger unter Beatrices Kinn und hob behutsam ihren Kopf, um ihr in die Augen zu sehen. Mit dem Handrücken befühlte er ihre Stirn, dann holte er seine Taschenuhr hervor und umfasste Beatrices Handgelenk. Während er noch auf die Uhr blickte, nickte er stumm. »Ermattung, starke Überbeanspruchung und eine Verdauung, die nicht an die Schiffskost gewöhnt ist. Blutwallung und Fieber.«
»Was empfehlt Ihr?«, fragte Alexandre.
Monsieur Gingras blickte mit geübtem Auge zum östlichen Horizont. »Landaufenthalt, mon Capitaine . Zwei Tage, vielleicht drei ohne Wind und Feuchtigkeit, vorzugsweise ehe das heraufziehende Unwetter ihren Zustand verschlimmert.«
Der Plan kam Alexandre ganz recht, doch er ließ es sich nicht anmerken. Er durfte nicht riskieren, dass Rosalind glaubte, sie hätte ihn wieder einmal gezwungen, ihren Forderungen nachzukommen. Andernfalls machte er sich noch zum Gespött seiner Mannschaft.
»Ausgeschlossen. Ich habe keine Zeit, l’invalide anglaise an Land zu bringen, solange die Marinepatrouillen auf der Lauer liegen.«
»Ein Gentleman fände die Zeit, mon Capitaine .« Rosalind hielt trotzig seinem Blick stand. Die Art allerdings, wie sie dabei nervös Beatrice streichelte und besänftigte wie ein weinendes Baby, verriet, dass sie ernstlich besorgt war.
»Ihr tätet gut daran, ruhig zu sein, Mademoiselle.« Alexandre sah sie streng an. »Was gibt L’Ange Noir schon auf das Leben eines kleinen englischen Mädchens?«
Rosalind sagte nichts. Alexandre musterte sie, und er sah nichts als Anspannung, wachsame Unruhe und Verzweiflung. Falls sie auch nur einen Anflug von echter Angst zeigte, gäbe er sofort nach. Aber das war nicht der Fall, und er wurde noch wütender.
»Was denn? Kann es sein, Mademoiselle Anglaise , dass Ihr endlich einmal tut, wie man Euch sagt?« Alexandre wartete ab, bis das Schweigen zwischen ihnen wie ein gähnender Abgrund klaffte.
Schließlich sah Rosalind ihn voller Widerwillen an und entgegnete: »Wir sind ganz in Eurer Gewalt, mon Capitaine . Aber mit Eurer Erlaubnis würde ich meine Schwester gern unter Deck bringen, wo sie sich ausruhen kann, während Ihr über unser Schicksal entscheidet.«
»Sie kann gehen. Ihr hingegen werdet Euch an jene Bedingungen halten, die Ihr selbst aufgestellt habt.« Mit diesen Worten trat er einen Schritt beiseite und wies auf seine offene Kajütentür. »Kommt herein, Mademoiselle. Yves wird die Kleine nach unten bringen.«
Rosalind beugte sich zu Beatrice und flüsterte ihr etwas zu. Beatrice antwortete nur mit einem schwachen Kopfnicken. Darauf umarmte Rosalind sie, küsste ihr die fiebrige Stirn und überließ es Yves, Beatrice unter Deck zu geleiten. Aufrechten Hauptes und äußerlich vollkommen gefasst, schritt Rosalind an Alexandre vorbei in seine Kajüte. Er beobachtete sie und war höchst amüsiert, als er sein schwarzes Seidenband in den weißen Ösen ihres Korsetts entdeckte. Ein kühnes Mädchen fürwahr, sich einfach zu nehmen, was sie brauchte, wo sie es fand, und ihn so für den Schaden bezahlen zu lassen, den er angerichtet hatte.
Rosalind setzte sich unten auf das Bett und wartete dort mit im Schoß gefalteten Händen, ohne eine Miene zu verziehen. Alexandre verschloss die Tür vor den neugierigen Blicken seiner Besatzung. Dann machte er drei gemessene Schritte auf Rosalind zu.
»Wie ich sehe, habt Ihr Mittel gefunden, Eure Kleidung wiederherzurichten.«
»Könnte ich doch nur die Bird of Paradise wiederherrichten. Vielleicht käme ich dann heil und sicher nach Jamaika.«
Alexandre lächelte angesichts ihrer Impertinenz. »Es bräuchte mehr als ein oder zwei Meter Seidenband, um den Schaden zu reparieren, den L’Ange Noir anzurichten vermag.«
» Mais oui, mon Capitaine. Daran zweifle ich nicht.«
Ihr sorgloser Ton konnte Alexandre nicht täuschen. Er sah ihre Fingerknöchel, die weiß wurden, so sehr presste sie die Hände zusammen. Es war ein unbeabsichtigtes Zeichen von Angst, bei dem sich sein Gemüt sogleich besänftigte. Wonach er sich mehr sehnte als nach allem anderen, war, Rosalind
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