Im Bann des Piraten: Er nahm sie gefangen - doch sie entfesselte seine Liebe (German Edition)
sich eine steinerne Maske über Alexandres Züge, hinter der alles Traurige und Enttäuschte verschwand. Er wandte sich von ihr ab und setzte sich auf die Bettkante. Eilig zog Rosalind die Decke über sich. Als Alexandre sich kurz zu ihr umsah, lag seine Stirn in Falten.
»Yves!«
»Oui, mon Capitaine!«
»Wie geht es Adolphe?«
»Gingras sagt, er schläft jetzt und würde frühestens am Nachmittag wieder aufwachen.«
» Très bien. Ich übernehme das Ruder.«
»Merci, mon Capitaine.«
Alexandre stand auf, riss den Deckel seiner Seetruhe hoch und zog ein Hemd und eine Hose heraus. Fluchend streifte er sich das Hemd über, und dabei war seine Miene finsterer und bedrohlicher als der Sturm, der draußen tobte.
»Mademoiselle, Ihr tätet gut daran zu entscheiden, was Ihr wollt. Ich erkenne in Euch ein Verlangen nach Größerem, nach tieferen Gefühlen und wilderer Leidenschaft. Ein dumpfes, geistloses Leben mit perfekten Manieren und präziser Etikette passt nicht zu Euch, glaubt mir.«
Er zog sich fertig an, ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
Kapitel 6
G egen Mittag erreichte L’Etoile du Matin eine kleine Bucht auf der Südwestseite der Isla la Veche. Die Diabolique segelte unmittelbar neben ihr und warf im Schutz des größeren Schiffes ihren Anker. Das Wetter war immer noch schlecht. Aus den dunklen Gewitterwolken ergossen sich in unregelmäßigen Abständen heftige Regenschauer. Rosalind saß in Alexandres Kajüte, wo sie sich damit beschäftigte, ihr Gepäck in Ordnung zu bringen.
Eine der ersten Anweisungen von Doktor Gingras war die gewesen, Beatrices Gepäck zu bringen. Darauf hatte Alexandre angeordnet, dass beide Frauen ihre Sachen in seine Kajüte gebracht bekommen sollten. Nun trug Beatrice ein hübsches blassblaues Musselinkleid, das mit weißen Blumen bestickt war. Rosalind lächelte bei dem Gedanken daran, wie Beatrices Augen leuchteten, als sie es aus ihrer Reisetasche nahm. Beatrices Mutter hatte vier solcher Kleider genäht, die ihre Töchter bei der Hochzeit der Ältesten, Coralie, trugen, bei der sie die Braujungfern waren. Beatrice sah schon deutlich wohler aus, und allein die leichtere, frische Kleidung schien ihre Stimmung zu heben. Im Moment war sie unter Aufsicht von Doktor Gingras am Bug, um etwas frische Luft zu schnappen.
Rosalind zupfte an dem Rock ihres eigenen Kleides. Da ihr schwarzes Kleid verloren war, besaß sie kaum noch etwas, das ihrer derzeitigen Trauer angemessen war, und hatte auf dunkelblauen Taft zurückgreifen müssen. Das Unterkleid sowie der Vorstecker auf der Brust waren weiß mit Taftbändern und Spitzen in Dunkelblau. Eine weitere Schwierigkeit, die Rosalind zusätzlichen Verdruss bereitete, war der Verlust ihrer kleinen Paniers. Sie und ihre Mutter hatten befunden, dass die weiten Reifröcke an Bord eines Schiffes – zumal in den Tropen – albern und unpraktisch wären. Deshalb hatte Rosalind nur die kleineren Seitenpaniers mitgenommen, um den Taft ihres Rockes zu halten. Aber jetzt waren sie nicht mehr da und er war folglich viel zu lang. Deshalb sah Rosalind sich gezwungen, einen weißen Spitzenschal zu einem Gürtel zu binden und damit den überschüssigen Stoff hochzuraffen, sonst wäre sie beim Gehen gestolpert. Das Ergebnis mutete nachgerade mittelalterlich an. Doch auch wenn Rosalind keine modische Erscheinung abgab, empfand sie es als eine enorme Erleichterung, wieder vollständig bekleidet zu sein. Die vielen Stofflagen boten ihr allen Schutz, den ein anständiges Äußeres gewährte.
Sie saß auf Alexandres Bett und faltete Taschentücher und Strümpfe zusammen, um sich zu beschäftigen und nicht an die schmerzliche Szene zurückdenken zu müssen, die mit Alexandres wütendem Verlassen der Kajüte endete. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gesehen oder gehört. Sie fragte sich, warum der große Ange Noir genötigt war, sich vor einem wie Vasquez zu verstecken. So wie Alexandre es darstellte, kannte Vasquez kaum den Unterschied zwischen Back- und Steuerbord. Andererseits fing sie gerade an zu begreifen, wie typisch es für Alexandre war, dass er glaubte, mehr über das Leben anderer Leute zu wissen als diese selbst. Welch monströse Arroganz. Ganz und gar französisch eben. Als könnte Rosalind sich je einem Leben verschreiben, das so wild und gesetzlos wie seines war, ohne ein Heim, in das man zurückkehren konnte, ohne Freunde außer seinen Offizieren, ohne Frau und Kinder …
Rosalind wurde plötzlich klar, wie wenig sie
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