Im Bann des Piraten: Er nahm sie gefangen - doch sie entfesselte seine Liebe (German Edition)
aufs Bett, stützte den Kopf auf einen Ellbogen auf und betrachtete sie. Im Schlaf sah sie vollkommen ruhig und zufrieden aus, frei von den Sorgen, die sie belasteten, und dem Misstrauen, in das sie sich sonst wie in einen Mantel hüllte. Die Karibiksonne hatte ihrer Haut eine leichte Röte verliehen, die ihr sehr gut stand. Zarte Augenbrauen wölbten sich über den dichten Wimpern, die ihre wunderschönen blauen Augen umrahmten. Ihre Nase war gerade, nur die Spitze ein klein wenig nach oben gebogen. Alexandres Blick verweilte auf ihren Lippen, tiefrosa und rund, mehr als rund. Ihre Wangen und das Kinn waren so fein geformt, wie es makellose Schönheit überhaupt sein konnte. Auf einer Gemme, einem Porträt, auf jedem meisterhaft gefertigten Kunstwerk würde Rosalind atemberaubend aussehen. Sie war der Inbegriff von Schönheit und dazu noch mutig, tugendhaft und von jungfräulicher Reinheit.
Alexandre stellte mit Schrecken fest, dass Rosalind jünger war, als er anfangs vermutet hatte. Achtzehn vielleicht, und doch schon von einem Ernst, der sie bisweilen wie eine doppelt so alte Frau wirken ließ. Lady Rosalind Hanshaw war durch Pech oder Intrigenspiel Edward Murdock versprochen. Sie wäre klug, die Gunst der Stunde zu nutzen und L’Ange Noir zu gestatten, ihr jene Gipfel der Sinnlichkeit zu zeigen, wie sie eine Frau in den Armen eines Mannes erreichen konnte, der sie wirklich zu schätzen wusste. Diese Chance hätte sie bei Murdock nicht. Und der erste Mann zu sein, der das Erblühen ihrer Leidenschaft erlebte, der mit ansah, wie sich ihr stolzes Wesen in wilde Verzückung und Hingabe wandelte …
Er strich mit der Fingerspitze über ihre Wange. Was hatte sie an Bord der Fortuna erlitten? Schwester Beatrice schien es nicht schlechter zu gehen, abgesehen von ihrem Fieber, das sie noch zerbrechlicher und stiller machte. Wie hatte Rosalind es geschafft, sie vor den Misshandlungen zu bewahren, die Frauen an Bord eines solchen Schiffes erwarteten? Alexandre fiel ein, was für ein Talent Rosalind im Spinnen kluger Lügen besaß. Was immer sie Vasquez erzählt hatte, musste nachgerade von meisterlicher List gewesen sein, dass es selbst ihn zur Zurückhaltung bewegte. Vasquez war ein dummer Unmensch, doch er hatte herausgefunden, dass Rosalind sich vorher auf der Etoile du Matin befunden hatte. Alexandres Geheimhaltung hatte er zu Recht so gedeutet, dass dieser Rosalind für sich behalten wollte. Das allein hatte gereicht, um Vasquez zu einer Racheorgie zu verleiten.
Doch wieder einmal hatte die kleine Milchmagd gesiegt. Offensichtlich war sie imstande gewesen, nicht nur ihre Unschuld, sondern auch die von Beatrice zu schützen. Das allerdings beunruhigte Alexandre mehr als dass es ihn tröstete. Rosalind war gefährlich, und zwar in vielerlei Hinsicht. Sie hatte L’Ange Noir angestiftet, für sie zu töten, nachdem er sie erst einen Tag kannte. Das war unheimlich. Vasquez verdiente den Tod, seit langem schon, doch erst als Rosalind erschien, war es Alexandre wichtig geworden, Vasquez zu finden und ihm den Garaus zu machen. Ihn überkam eine finstere Vorahnung. Ja, Rosalind war eine englische Lady, und ja, sie war die Verlobte von Murdock, dem arroganten Schwein. War sie klug genug, um noch mehr als das zu sein? Die Engländer würden alles tun, um L’Ange Noir loszuwerden, ihm sogar Spione auf den Hals hetzen. Es bestand durchaus eine entfernte Möglichkeit, dass Rosalind als Köder in einer geschickten Falle fungierte, die Murdock persönlich aufgestellt hatte.
Aber solche unschönen Gedanken verdrängte Alexandre gleich wieder. Rosalind war hier bei ihm, sicher, wohlbehalten und lieblicher denn je. Ihr schmaler Hals unter dem hohen Kragen reizte ihn, sie als ein Geschenk zu sehen, das ganz allein für ihn bestimmt war. Er nahm ein Ende des Bands zwischen Daumen und Zeigefinger und zog behutsam daran, bis sich die Schleife löste und der Kragen auffiel. Dann erschrak er. Die samtige cremefarbene Haut, die Alexandre erst kürzlich mit Küssen bedeckt hatte, war zerkratzt und gerötet. Der Anblick bestätigte seine Befürchtungen und ließ sein Blut erneut vor Wut kochen. Was für Male von Misshandlungen würde er noch finden?
Rosalind regte sich und öffnete die Augen. Sie sah ihn mit dem verständnislosen Blick der soeben Erwachenden an. Alexandre erinnerte sie an ein zerzaustes Kätzchen, und fasziniert beugte er sich zu ihr, um mit seinen Lippen über ihre zu streichen.
»Bonsoir, ma belle« , murmelte er.
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